Warum? Darum.

Hin und wieder kommt es vor, dass man gefragt wird, warum man sich eigentlich aktiv für den Ersatzschuldienst und damit gegen eine Verbeamtung, private Krankenkasse usw. entscheidet. Warum arbeiten wir Lehrer*innen an freien Schulen zu vermeintlich ungünstigeren „Konditionen“? Ich kann da natürlich nur meine eigene Sichtweise schildern, aber das möchte ich gern einmal tun.

Eine Typ-Frage

Von Fachstunde zu Fachstunde, von Lerngruppe zu Lerngruppe zu tingeln, mit halbjährlich wechselndem Plan, das ist nichts für mich. Als Klassenlehrerin an der Waldorfschule habe ich 8 Jahre lang jeden Tag meine feste Lerngruppe, die ich über einen ganzen Lebensabschnitt begleite. Ich mag es so vertraut und ohne den äußeren Zwang, die Kinder standardisiert nach Leistungen zu beurteilen. Nicht, dass ich kein Verständnis dafür habe, es so zu tun. Wer pro Schuljahr durchaus mehrere Hundert Schüler*innen unterrichtet, braucht klare Methoden, die Kinder möglichst fair zu beurteilen und ihren Lernzuwachs zu messen, keine Frage.
In meinem überschaubaren Rahmen weiß ich allerdings auch ohne Vergleichsarbeiten & Co., wo jedes einzelne Kind steht und wie ich unterstützen kann. Diese Arbeitsbedingungen fühlen sich für mich richtig an und haben dadurch auf jeden Fall auch ihren Wert.

Gemeinschaft und Individualität

Das ist zu schaffen: Eine Klassengemeinschaft zu bilden, in der jedes Kind seinen Platz hat und gesehen wird. „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“, sagt man in Afrika. So gehören auch die Eltern fest zur Schulgemeinschaft und tragen im vertrauensvollen Austausch – nicht als „Kunde“ – dazu bei, dass sich ihr Kind wohl fühlt und gut lernen kann. Man sucht gemeinsam nach Lösungen, wenn es Schwierigkeiten gibt.

Kopf, Herz und Hand

Die Welt nicht nur aus Büchern und Filmen zu vermitteln, sondern Vieles selbst aktiv und auch künstlerisch auszuprobieren. Die Kinder dabei zu erleben, wie sie auf vielfältige Art und Weise den Dingen auf den Grund gehen, sich Themen erschließen – das begeistert mich.

Schulentwicklung

Jede Waldorfschule hat etwas mit den anderen Waldorfschulen gemeinsam. Und doch ist jede Schule anders, denn sie wird aktiv von Eltern und dem Kollegium mit- und weiterentwickelt. Dass man sich mit Ideen und Mithilfe einbringen kann, ist ein weiterer Grund, warum ich so gern an dieser freien Schulform arbeite – übrigens auch in der Elternrolle.

… und Dynamik

So ist jeder Schultag vor Ort lebendig und spannend, fordert aber auch die Kreativität, das Engagement und die eigene Lernbereitschaft heraus.

Auch wenn sich momentan Vieles durch die auferlegten Einschränkungen und die langen Phasen des Distanzlernens so „ausgebremst“ anfühlt, sollten wir versuchen, auf bessere Zeiten hinzuarbeiten und dabei so optimistisch wie möglich nach vorn zu schauen. Denn Waldorfschule ist, was wir draus machen – ein wertvoller Schatz.

Eine besondere Epoche in der Planung

Eines meiner liebsten Blogthemen ist immer wieder, dass der Waldorflehrplan besondere Epochen für besondere kindliche Entwicklungsschritte bereithält. Es begeistert mich sehr, wie wir die Kinder dadurch unterstützen und begleiten können. Eine dieser ganz besonderen Epochen steht für meine Klasse auch in Kürze wieder an. Diesmal ist es das Thema „Hausbau“.

Vom groben Plan….

Ich habe diese Epoche im Kopf. Ich weiß, warum ich sie unterrichte. Und ich weiß, wie ich sie für meine Klasse umsetzen werde. Seit Monaten freue ich mich sehr darauf. Doch diese Epoche ist nur für Präsenzunterricht geeignet, ich brauche die Kinder vor Ort dazu.

Es war und ist ein Zittern und Bangen. Noch vor gut 3 Wochen lag der Corona-Inzidenzwert am Schulstandort bei über 300, besonders in den letzten Tagen ist er aber rapide gefallen. Und damit kann ich endlich weiter planen: Unsere Hausbau-Epoche ist zum Greifen nah.

…zur genauen Ausarbeitung

Klar ist: Es wird Unterricht im Wechselmodell, also jedes Kind hat im täglichen Wechsel Präsenz- und Distanzunterricht. Das muss ich berücksichtigen.

Ich vertiefe für mich noch einmal ganz gründlich den pädagogischen Hintergrund, den Wendepunkt im Leben eines Kindes im 9. Lebensjahr: Der Umzug im „eigenen Haus“, ein inneres „Umgestalten“ vollzieht sich beim Kind: Körperlich, seelisch und geistig. Ich denke intensiv an jedes einzelne Kind und sehe es vor mir (wunderbarer Nebeneffekt: Bei dieser Übung schneien wieder neue Zeugnissprüche rein).

Ich plane, wie wir gemeinsam künstlerisch herangehen können und suche einen schönen Spruch, den wir zusammen sprechen können. Leider dürfen wir ja nicht singen und flöten. Ein Spiel für den rhythmischen Teil, zum gemeinsamen Einstimmen, das suche ich auch.

Inhaltlich geht es um die Gewerke des Hausbaus. Hier wird gelesen, geschrieben, gezeichnet. Die Dokumentation wird eher im Homeschooling stattfinden, nach erster Anleitung in der Schule.

Jedes Kind soll vor Ort in der Schule den individuellen Raum bekommen, sein persönliches Traumhaus zu planen und in der Klasse als Modell zu bauen. Hier sind der Kreativität und Schaffensfreude keine Grenzen gesetzt, eine großes Gefühl von Selbstwirksamkeit – in der aktuellen Lage so unendlich wichtig. Und es ist wichtig, dass diese Häuser in der Schule gebaut werden. Denn die Kinder sollen sich auch untereinander im Tun wahrnehmen.

Und in Gemeinschaft schaffen wir auch noch etwas für die Schulgemeinschaft: Im Schulgarten gibt es eine gemeinsame Bauzeit. Hier zählt jede helfende Hand. Wir wollen zusammen ein Hühnergehege bauen, vor unserem Lehmofen eine kleine Fläche pflastern und außerdem einen schönen Festplatz herrichten. Gemeinschaftsgefühl – der zweite große Mangel der letzten Zeit.

Jetzt heißt es: Daumen drücken!

Ehrlich gesagt, ich hatte in letzter Zeit so oft das Gefühl, dass besonders die schönen Seiten meines Berufs so derart ausgebremst werden. Ich habe wirklich sehr darauf gewartet, dass es endlich vor Ort weitergehen kann mit den Kindern. Jetzt ist der Schuljahresendspurt vor Ort zum Greifen nah. Mit der ersehnten Epoche.

Ich werde berichten.

Hinweis: Auf dem Bild ist die Zeitschrift „Vorhang Auf“ zum Thema „Hausbau zu sehen. Dies ist eine unaufgeforderte und unbezahlte Werbung, da Empfehlung. Ich habe das Heft selbst gekauft.

Zaubersand für die Sinne

Fühlen, kneten, formen, Duft genießen: Ein sehr schönes und selbst herzustellendes Sinnesmaterial ist der „Zaubersand“. Für meinen Distanzunterricht im Fach Formenzeichnen habe ich für jedes Kind eine kleine Tüte Zaubersand beigefügt, den ich recht schnell selbst hergestellt habe. Als Clou duftet der Sand nach unserem allseits beliebten Goldtröpfchenöl.

Für die ganze Familie

Die Schulkinder können den Zaubersand auch auf ein Tablett geben und mit dem Finger Buchstaben, Zahlen und Formen üben. „Zaubersand“ ist auch eine schöne Beschäftigung für die ganz Kleinen und fördert schon hier die Feinmotorik – nicht umsonst ist er in den Pikler Spielräumen zu finden. Eine größere Menge in der Schüssel oder Kiste, dazu ein Kochlöffel oder ein kleiner Becher – das ist sehr viel Spielspaß. Und wenn einmal etwas im Mund landet, ist es auch nicht schlimm. Man sollte dann aber ein ätherisches Öl in Lebensmittelqualität verwenden oder auf den Duft verzichten.

Die Zutatenliste

Ich nehme dazu sehr feines Dinkel- oder Weizenmehl. Als Öl habe ich mich für Sesamöl entschieden, da Sesamöl sehr hautfreundlich ist und auch schon in der Babymassage angewendet werden kann. Wenige Tropfen unseres Goldtröpfchenöls hinzu – und fertig ist der Spielsand für die Sinne. Man kann auch Lebensmittelfarbe hinzugeben, wenn man etwas Farbe ins Spiel bringen möchte.

Die Mischung

Für 1 kg Mehl nehme ich 120 ml Sesamöl und 5 – 8 Tropfen ätherisches Öl. Wenn man eine größere Menge herstellen möchte, kann man es einfach hochrechnen.

Haltbarkeit und Lagerung

Da es sich bei dem Sand um Lebensmittel handelt, sollte man ihn vorsichtshalber nicht länger als 3 Wochen lagern. Am besten, er bleibt in einem offenen Behälter oder einer Papiertüte, so dass auch Luft herankommt.

Du kannst diese Infos kompakt hier downloaden:

Happy Birthday Montagskindblog

Heute ist es genau ein Jahr her, dass ich meinen Blog gestartet habe. Den Wunsch zu bloggen hatte ich seit Längerem, aber ich war mir nicht sicher, ob ein weiteres Dauer-Schreibprojekt nicht doch etwas viel werden könnte. – Statt dessen ist mein Blog zu einer liebgewonnenen Schreibroutine geworden und auch schon eine kleine Sammlung zum Nachlesen und Erinnern.

Netzwerken

Wie Ihr merkt, bin ich jetzt nach einem Jahr sehr froh, meinen Blog zu haben. Was mich letztendlich auch zu der Entscheidung geführt hat, war der Wunsch, mich weiter zu vernetzen und auszutauschen. Das hat bis jetzt prima geklappt. Ich habe viele Rückmeldungen und neue Impulse bekommen, dazu einige Kontakte geknüpft. Was gerade auch im Lockdown sehr hilfreich ist.

Podcasts

Mit dem Bloggen kamen die Podcasts. Auch auf den Podcast war ich in meiner Freizeit schon seit längerem gekommen. Und irgendwie wurde ich mit dem Bloggen auch zur Podcasterin. Ich mag Podcasts als „bildschirmfreie Alternative“ der Unterhaltung und Information. Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, vor dem Bügelbrett stehe oder einfach nur mal gemütlich auf dem Sofa sitze, läuft bei mir schon ziemlich regelmäßig der eine oder andere Podcast.

So entstand mit der Zeit die Idee, auch selbst zu podcasten und das stellte sich als gar nicht so schwierig heraus. Der Märchenpodcast „Märchen mit Klang“ entstand aus dem Herumexperimentieren, wie ich den Erzählteil des Epochenunterrichtes auf Distanz an die Kinder herantragen könnte. Inzwischen habe ich eine große Stammhörerschaft. Auch schien es mir die einzige Möglichkeit, auf Distanz ein wenig Klang-Entspannung mit den Fantasiereisen zu schaffen.

Der aktuelle Erzählteil für meine Klasse ist übrigens nicht öffentlich, da ich die Rechte an den Texten nicht habe. Ich produziere aber täglich weiter. Meine Klasse kennt sowohl den Märchenpodcast, als auch die Klänge, die darin vorkommen und die Kinder fragen mich auch gern danach.

Mit meinem Kollegen Dustin, der an einer anderen Waldorfschule arbeitet, habe ich ein klassisches Podcastformat gestartet, ein „Gespräch unter Waldorflehrern“ in Kaffee, Kreide, Morgenspruch. Auch die monatliche Produktion dieses Podcasts macht nicht nur viel Spaß, sondern hat auch eine wachsende Hörerschaft.

Was sonst noch beliebte Klassiker wurden: Die Geburtstagswoche

Geschichten, Spiel- und Unterrichtsideen und einige Rezepte haben sich zu Klassikern des Blogs entwickelt. Auch das Thema „Schule und Nachhaltigkeit“ ist und bleibt mir sehr wichtig. Daher habe ich für diese Woche eine „Geburtstagswoche“ geplant, in der jeden Tag ein Bericht zu verschiedenen Themen erscheinen wird, am Donnerstag habe ich auch eine Verlosung für Euch.

Ein Blick nach vorn

Der Blog soll mich und meine Arbeit in Zukunft begleiten und auch noch etwas barrierefreier bzw. bildschirmfreier werden. Dazu später mehr.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr besonders in dieser Woche täglich vorbeischaut oder den Blog via WordPress oder Email abonniert. – Euer Montagskind

Und wieder ein neues Lernpaket

Wir müssen weiter zu Hause bleiben. Der Abstand zur Schule wird immer größer, das Lernen zu Hause, ohne die Gemeinschaft, immer eintöniger. Jedes neue Lernpaket ist für die Kinder eine willkommene Abwechslung, hat auch für mich seine eigenen Herausforderungen: Die Verbundenheit zwischen den Kindern, der Schule und mir erhalten, die Herzen erreichen, dazu Lernfortschritte ermöglichen.

Diese Woche war `s wieder schwer

Diese Woche lief wieder dieses schräge Parallelprogramm: Die letzten Epochentage im Fach Mathematik mussten in Distanz an die Kinder herangetragen werden, gleichzeitig liefen die Vorbereitungen für das neue Lernpaket. Und das ist eine große Herausforderung und ziemlicher Kraftakt. Auch wenn das vielleicht von außen betrachtet nicht so erkennbar ist.

Ich muss mich vorab selbst irgendwie auf die neue Epoche einstimmen und mich innerlich mit ihr und den Kindern dabei verbinden. Das große Ziel ist es, die Kinder in der Ferne Kinder zu erreichen, ohne eben unmittelbar ihre Reaktionen dabei mitzubekommen. Und das für jeden einzelnen vor uns liegenden Unterrichtstag, für alle Kinder der Klasse. Jetzt schon. Während noch die letzten Tage der Vorgängerepoche laufen. Denn das Material muss ja nicht nur erstellt werden, sondern auch rechtzeitig beim Kind ankommen. Das ist also auf vielen Ebenen schon recht anstrengend und natürlich durch eine gewisse Ungewissheit, die einen dauerhaft begleitet und nicht planbar ist, auch nicht so richtig zufriedenstellend.

Formenzeichnen in Distanz – das neue Lernpaket

Gerade Formenzeichnen lebt vom gemeinsamen Tun, ist als Unterrichtsfach anspruchsvoll, dabei aber nicht intellektuell. Hier habe ich bereits darüber berichtet. Die Formen sollen bei den Kindern als Geste ankommen. Sie wirken weit im Seelischen. Das ist eine große Hürde, die man im Distanzunterricht nehmen muss.

Ich habe daher den Kindern auf einer Übersicht viele ihnen bekannte Wege aufgezeigt, sich sinnlich und bewegend mit den gegebenen Formen auseinanderzusetzen. Da jedes Kind einen anderen Zugang findet und andere Gegebenheiten zu Hause hat, darf jeden Tag aus einer langen Reihe von Ideen gewählt werden, wie man an die jeweilige Form des Tages herangehen will.

Im Paket befinden sich daher auch: Ein von den Kindern in der Handwerkerepoche selbst gesponnener Faden, von mir hergestellter kinetischer Sand, der nach unserem „Goldtröpfchen“ duftet (zum Rezept) und zwei Stückchen Kreide, um Formen in Groß aufzumalen, z.B. auf die Hauseinfahrt oder den Hauseingang (auf groß gemalte Formen kann man balancieren oder hinkeln).

Außerdem ist ein kleines Geheimnis enthalten, eine Muttertagsbastelei. Basteln für den Muttertag ist in der Schule immer sehr beliebt, kleine Geschenke herzustellen, ist generell ein Highlight. Die Kinder machen ihren Eltern so gern eine Freude. Das fällt dann wenigstens nicht ganz aus – und die Mütter sind meist so eingebunden ins Homeschooling, dass eine kleine Aufmerksamkeit auf jeden Fall auch ganz wichtig ist.

Manchmal ist Präsenz durch nichts zu ersetzen

So sieht`s aus. Kopfthemen lassen sich im Großen und Ganzen recht gut aus der Distanz unterrichten. Herzthemen sind schon schon etwas schwieriger und brauchen viel Feingefühl – und das gemeinsame Handanlegen ist nicht zu ersetzen. Die Hausbauepoche, das Erfassen von Maßen und Gewichten – das fällt aus bis zur nächsten Präsenzphase, die hoffentlich bald möglich ist. Und dann wird jeder Schultag erst einmal ein kleines Fest…

Doch bis dahin gilt es, mit allen Familien in gutem Kontakt zu bleiben und gemeinsam diese schwierige Zeit zu überstehen.

Darum das Alte Testament als Erzählstoff in Klasse 3

Nach getaner Arbeit dürfen die Kinder zum Ende des Epochenunterrichts einmal ganz in Ruhe in den Erzählteil eintauchen. Der Erzählteil bringt Entspannung und sorgt als „Seelennahrung“ für innere Bilder. Zum altersgerechten Erzählstoff in Klasse 3 gehören die Geschichten des Alten Testaments.

Der sprachliche Aspekt des Erzählteils

Zunächst einmal möchte ich generell beschreiben, welcher sprachlicher Reichtum von den alten Erzählungen ausgehen: Ob Märchen, Fabeln, Altes Testament oder nordische Mythologie – die überlieferten Geschichten lassen die Kinder mit alten, ganz besonderen Sprachschätzen in Berührung kommen. Dabei wird nicht nur der Wortschatz erweitert, sondern das Erleben „schöner Sprache“ wirkt wohltuend im Seelischen und schafft auch in gewisser Weise eine Brücke in die Welt der Fantasie.

Erzählstoff braucht kein Lernziel zu erfüllen

Der Erzählteil trägt zwar auch Allgemeinwissen an die Kinder heran. Unumstritten gehören Märchen oder das alte Testament zur Allgemeinbildung, keine Frage. Doch es geht bei der Wahl des Erzählstoffes weniger um ein Lernziel als darum, die Kinder mit inneren Bildern zu versorgen, die ihrem Entwicklungsalter entsprechen und auf der seelischen Ebene fördern.

Der Rubikon und der Erzählstoff in Klasse 3

Um das 9. Lebensjahr herum vollziehen Kinder einen großen Entwicklungsschritt: Sie erleben sich erstmals nicht mehr als „Eins mit der Welt“, sondern nehmen bewusst eine „Um-Welt“ wahr. Die gewohnte „Mit-Welt“ gibt es nicht mehr, das Gefühlsleben ändert sich. Die Kinder können es nicht in Worte fassen, was da gerade mit ihnen passiert und doch kann es für ein kleines inneres Erdbeben sorgen: Es ist vergleichbar mit der „Rubikon“-Legende – von nun an gibt es kein Zurück mehr. Dieses neue Gefühl und die neu gewonnene Erkenntnis einer eigenen Grenze nach außen setzen oftmals große Kräfte und Tatendrang frei, lösen aber nicht selten auch ein Gefühl von Einsamkeit aus.

Mit diesem Entwicklungsschritt stellen die Kinder Fragen nach ihrer eigenen Herkunft, die der Menschen und der ganzen Welt. Mit den Geschichten aus dem Alten Testament, beginnend mit der Schöpfungsgeschichte, wird auf sehr feine Weise diese Gemütslage gespiegelt. Wie die Vertreibung aus dem Paradies wirkt der Rubikon. Der Mensch muss von nun an für sich selbst sorgen und lernt die Arbeit an der Erde kennen und lieben. Genau das greift der Waldorflehrplan auf. Mit dem Erzählstoff – der indirekt wirkt – fühlen sich die Kinder gesehen und verstanden.

Erzählteil auch im Homeschooling

Ich finde es gerade jetzt, während dieser langen Zeit des Distanzlernens, so wichtig, die Kinder auch mit dem passenden Erzählstoff zu erreichen. Daher gehört die Geschichte des Alten Testaments zum täglichen Homeschooling dazu.

Weiterer Erzählstoff

Ich erzähle nicht das ganze Schuljahr über die Geschichten des Alten Testaments, sondern lasse auch passende Lektüre der jüngeren Kinder- und Jugendliteratur einfließen. Astrid Lindgren bietet mit „Mio mein Mio“, „Die Brüder Löwenherz“ oder „Ronja Räubertochter“ ebenfalls wunderbare Rubikon-Lektüren. Auch Cornelia Funkes „Drachenreiter“, Uwe Timms „Zugmaus“ oder Michael Endes „Jim Knopf“ eigenen sich gut für das Alter – um nur einige zu nennen.

Buchempfehlung zum Alten Testament

Die folgenden Buchempfehlungen sind persönliche Empfehlungen, die ich hier unbeauftragt teile. Die genannten Bücher habe ich selbst gekauft.

„Das Alte Testament für Kinder“ – Verlag Urachhaus, dieses Buch ist mit wunderschönen, passenden Aquarellen gestaltet.

„Und es ward Licht“ (Jakob Streit) – Von der Weltenschöpfung zur Arche Noah (Verlag Freies Geistesleben)

„Ziehet hin ins Gelobte Land“ (Jakob Streit) – Der Weg des Volkes Israel von Abrahams Berufung bis zu Davids Traum (Verlag Freies Geistesleben)

Hörempfehlung

Auch mit Dustin habe ich in unserem Podcast „Kaffee, Kreide, Morgenspruch“ über den Ablauf eines Epochenunterrichtes gesprochen und dabei den Erzählteil etwas beleuchtet:

Hier der Link

Erstgeborene

Das Thema Geschwister ist sensibel, schicksalhaft und sehr individuell. Man kann es nur qualitativ, vom Einzelfall aus, vertieft betrachten und bei Verallgemeinerungen von den Dingen ausgehen, die wirklich alle Geschwisterposititionen gemeinsam haben. Doch schon, wenn man sich Allgemeines bewusst macht, bekommt man einen zusätzlichen Blickwinkel, sowohl bei der Betrachtung der eigenen Rolle innerhalb der Familie, als auch beim Blick auf die eigenen und die anvertrauten Kinder.

Erstgeborene machen Familie

Erstgeborene – egal, ob sie Einzelkind bleiben oder ihnen noch weitere Geschwisterkinder nachfolgen – haben etwas Großes gemeinsam: Sie stellen das Leben ihrer Eltern tiefgreifend auf den Kopf. Sie machen aus einem Paar oder auch Single eine Familie. Das Leben ihrer Eltern wird durch sie völlig verändert. Dabei spielt es keine Rolle, ob man jahrelang sehnsüchtig auf die Schwangerschaft gewartet hat oder sich „außerplanmäßig“ in dem neuen Leben wiederfindet.

Viele Paare fühlen sich durch ihr Kind noch tiefer miteinander verbunden und erreichen in ihrer Liebe eine neue Stufe. Das Kind wird zu einer neuen Brücke, wie Jirina Prekop in ihrem Buch „Erstgeborene“ so schön bildlich beschreibt. Es gibt aber auch Paare, die sich durch ihre Elternrolle als Partner mit der Zeit aus den Augen verlieren, mit dem Kind zwischen sich eine „Trennwand“ errichten. Es wirkt polarisierend.

Die neue Rolle als Mutter, Vater oder Eltern will also gut vorbereitet sein und die Paarbeziehung immer wieder neu bewusst gemacht werden.

Erstgeborene organisieren das Leben neu

Meist ändern sich Berufstätigkeiten, Wohnsituationen und auch Beziehungen neu. Man lernt andere junge Familien kennen, kinderlose Freunde trifft man mit der Zeit doch eher seltener. Oftmals wird bei den neuen Eltern das Band zu ihrer Ursprungsfamilie nochmals enger. Im Mittelpunkt des Lebens steht jetzt ein kleiner Mensch, der heranwächst und in den nächsten Jahren geliebt, behütet und glücklich aufwachsen soll.

Gerade bei Erstgeborenen sind zudem viele frisch gebackene Eltern noch unsicher und hinterfragen sich häufig – selbst, wenn sie in ihrer Familie zuvor bereits häufig mit Neugeborenen umgehen durften. Doch nun selbst in der Rolle seines Lebens zu sein, wirft manchmal die Frage auf: Mache ich alles richtig? Bin ich gut in meiner Elternrolle?

Was macht das mit den Erstgeborenen?

Erstgeborene haben ein enges Band mit den Erwachsenen um sie herum und ihre Eltern, mindestens die erste Zeit ihres Lebens, ganz für sich. Das ist prägend. Karl König zitiert in seinem Buch „Brüder und Schwestern“ die amerikanische Psychologin Margret Lautis, die in ihrer Studie darstellt, dass Erstgeborene die Erwachsenen mehr imitieren, ihre Nähe und Anerkennung suchen als Zweit- und Drittgeborene. Dies macht sie häufig zu kleinen „Denkern“, die die Nähe zu Erwachsenen genießen.

Und auch sie spüren, dass ihre Eltern mit ihnen viel Neuland in der Elternrolle betreten. Oft sehen sich die Erstgeborenen auch als „Vorkämpfer“. Sie haben als Erste die Frage aufgeworfen, wieviel Schokolade genascht werden darf. Haben als Erste verhandelt, wie lange man mit 16 ausgehen durfte und wann in den Ferien die Bettgehzeit ist.

Wie geht es weiter?

Das Erstgeborene ist auf der Welt. Bleibt es Einzelkind? Bekommt es Geschwister? Entsteht mit den Jahren vielleicht auch eine Patchworkfamilie?

Ihr merkt, die neue Reihe über „Geschwister“ ist nicht nur sehr spannend, sondern auch vielschichtig. Ich hoffe, dass ich mit den vorsichtig dargestellten allgemeinen Aussagen schon ein wenig eigene Vertiefung anstoßen konnte und freue mich auch über Eure Fragen und Kommentare.

Ostereier mit Wachsmalern gestalten

Waldorfschüler*innen haben sie sowieso parat, auf Bienenwachsbasis sind sie zudem ein unbedenkliches Färbemittel: Unsere Wachsmalblöckchen und -stifte eigenen sich auch hervorragend zum Marmorieren und Bemalen von Ostereiern.

Dabei klappt das Marmorieren am besten, wenn die Eier noch recht heiß und frisch gekocht sind. Dann zerläuft das Wachs sehr schön und kann, wenn es gefällt, auch mit den Fingern verrieben werden. Das sollten aber nur ältere Kinder machen, ggf. dabei auch etwas die Hände schützen.

Bunte Bilder und Verzierungen hingegen können mit den Wachsmalstiften auch auf kalten Eiern gemalt werden. Dabei sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Das können auch schon die ganz Kleinen wunderbar machen.

Ich wünsche viel Spaß und viele bunte Ostereier!

Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt!

Das Epochenheft, ein Schatz der Schulzeit

Ich habe heute via Instagram eine Nachricht bekommen mit der Frage, was es eigentlich genau mit dem Epochenheft auf sich hat. Gute Frage! Und so wie ich es gerade wahrnehme, ein sehr aktuelles Thema. Denn leider hat sich die Idee des Epochenheftes im Homeschooling und beim Distanzlernen immer weiter Richtung „Arbeitsheft“ verschoben. Das beobachte nicht nur ich. Also ein guter Zeitpunkt, einmal genau auf das Epochenheft zu schauen.

Liebevoll mit der Arbeit verbunden: Jedes Epochenheft wird ein kleines Meisterwerk!
Hier ist ein Kind meiner Familie bei der Arbeit.

Hefte gibt es viele

Na klar, an jeder Schule gibt es viele verschiedene Hefte. Das Epochenheft scheint mir aber eine Spezialität der Waldorfschule zu sein.

Arbeitsheft, Vorschreibheft & Co.

Diese Hefte kennen wir wohl alle. Wenn geübt wird, wenn vorformuliert wird, wenn notiert wird. Dann werden oft Hefte mit Linien und Kästchen verwendet, die reihenweise vollgeschrieben werden. Dort stehen die Übungsaufgaben. Hier ist der Ort, um Inhalte vorzubereiten, Lernstoff zu festigen, zu rechnen, Schriften auszuprobieren usw.

Das Epochenheft als Nachschlagewerk

Anders als an Regelschulen, gibt es zu den Unterrichtsepochen des Klassenlehrers meist kein Lehrbuch, an dem sich die Kinder orientieren – sie schreiben es nämlich selbst und das ist das Epochenheft. Somit ist ein vollständiges Epochenheft ein gelungenes Nachschlagewerk, das über den Zeitraum der Epoche zusehends wächst und die Inhalte der Epoche ordentlich dokumentiert.

Aufbau des Epochenheftes

Das Epochenheft beginnt mit einem Inhaltsverzeichnis. Daher wird die erste Seite meistens freigelassen. Alle weiteren Seiten werden nummeriert. Es entstehen Kapitel und Unterkapitel. Die Beiträge des Epochenheftes bekommen auch ein entsprechendes „Layout“ aus Überschrift, Text – gegebenenfalls mit Zwischenüberschriften – und Bildern, am besten selbst gezeichnet.

Am Ende der Epoche werden dann die Kapitel und Unterkapitel im Inhaltsverzeichnis zusammengetragen – und fertig ist das Nachschlagewerk der Epoche, die Kinder haben ihr eigenes Lehrbuch geschrieben.

Von der weißen Seite zum „Layout“

Die meisten Epochenhefte bestehen aus weißen, unlinierten Seiten. Die Kinder lernen, diese zu strukturieren. So wird meist mit dem Wachsblöckchen zunächst ein Rähmchen gezogen, um nicht zu weit auf den Rand zu schreiben (Orientierung auf der Seite). Schon früh arbeiten die Kinder auch mit Linienblättern. Sorgfalt ist oberstes Gebot.

Meist gehört zu jedem Text ein Bild, das gezeichnet oder gemalt werden muss. Die künstlerische Arbeit wirkt dabei im Seelischen, die Kinder verbinden sich weit mit dem Lernstoff.

Das sorgfältige Arbeiten mit Liebe zum Detail ist mehr als bloßes Niederschreiben und Einkleben. Es ist eine vielseitige, gründliche Arbeit. Das Epochenheft erfährt dadurch eine hohe Wertschätzung.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Lose Blätter soll es nicht geben. Hat man etwas abgeschrieben und braucht die Vorlage nicht mehr, so kann die Vorlage aussortiert werden. Gehört ein Arbeitsblatt, Foto etc. ins Heft, so wird es an passender Stelle eingeklebt. Ist es zu groß, schneidet oder faltet man es ordentlich zurecht. Übersichtlichkeit ist wichtig, um sich in dem Nachschlagewerk auch später noch zurechtzufinden.

Verschiedene Arbeitsmaterialien geben Struktur

Bei mir in Klasse 3 sind für eine ordentliche Heftführung und -gestaltung inzwischen im Einsatz:

  • Wachsblöckchen für die Rähmchen der Seiten
  • Wachsmalstifte für Bilder, die Geschichten oder Erlebnisse widerspiegeln
  • Bleistift und Buntstifte für exakte Zeichnungen
  • Linienblatt zum Schreiben
  • Füller zum Schreiben
  • Lineal, um die Überschrift oder andere wichtige Textstellen zu unterstreichen, ggf. etwas durchzustreichen.
  • Kleber, um evt. auch einmal etwas einzukleben.

Der sichere Umgang mit den verschiedenen Materialien ist schon ein ziemliches „Management“, das von Anfang an angelegt und geübt werden muss. Letztendlich lernen die Kinder nicht nur den Umgang und Einsatz der Arbeitsmaterialien, sondern kommen auch von einer leeren, weißen Seite zu einem übersichtlich strukturierten Heftbeitrag in Wort und Bild.

Struktur auch für andere Bereiche

Eine Heftseite zu strukturieren und die Arbeitsmittel passend einzusetzen, ist auch auf andere Bereiche übertragbar: Es geht schließlich immer darum, die Dinge und Themen für sich zu ergreifen, indem man sie eingrenzt und einteilt (nicht nur physisch), also erst überlegt, dann planvoll umsetzt.

Durchhalten üben

Oftmals ist das leere Heft, der Beginn einer Epoche, ein wahrer Neustart. Die Kinder nehmen sich meist vor, dass dieses Heft das Schönste aller Zeiten wird. Ihr bestes Heft überhaupt. Ist das Heft dann nicht mehr so neu, lässt der Elan schonmal nach. Doch das Durchhalten zahlt sich aus: Ein gelungenes, vollständiges Nachschlagewerk ist schon eine kleine Trophäe.

Der besondere Wert

Es ist nicht nur der Erinnerungswert und die „Trophäe“, das eigene Nachschlagewerk geschaffen zu haben. Ich glaube, es ist im Gegensatz zu einem reinen „Arbeitsheft“, wie ich es zu Beginn dieses Artikels beschrieben habe, ein kleines Meisterwerk für sich.

Ein Epochenheft wird auch aufbewahrt wie ein kleiner Schatz, die Arbeits- und Vorschreibhefte meistens nicht. Da ich nun selbst schon größere Kinder habe, ist eine „Schulzeitreise“ anhand der Epochenhefte eine so wundervolle Erinnerung und Dokumentation von Lernfortschritten, für die ich sehr dankbar bin. Auch die Kinder können sehen, was sie schon alles gelernt und geschafft haben.

Das habe ich gelernt! Bilanz des Schuljahres

Ich sammle die Epochenhefte meiner Klasse über das gesamte Schuljahr hinweg. Am Ende des Schuljahres bekommen die Familien dann eine große Mappe mit allen gesammelten Epochenheften. So kann man am Schuljahresende darin schwelgen, sich in einem Jahresrückblick erinnern – und genau sehen, was sich von Beginn bis Ende eines Schuljahres so alles entwickelt hat. Eine wirklich schöne Erinnerung, ein lebendiges Erleben des Lernens und Erinnerungen fürs Leben.

Wie alles begann

Da ist es passiert!

Ganz ehrlich: Wie wahrscheinlich ist es, einmal im Leben von einer Giraffe geknutscht zu werden? Und wie wahrscheinlich ist es, als Staatsschülerin ohne Bezug zum Waldorfumfeld, einmal Waldorflehrerin zu werden?

Nun Ja. Vor fast 25 Jahren überlegte ich fieberhaft, was ich nach dem Abi so machen könnte – und habe weder von der einen Sache, noch von der anderen im Entferntesten etwas geahnt. Doch beides ist eingetreten.

That`s Life!

Ist es nicht genial, dass das Leben jenseits der vorstellbaren Möglichkeiten passiert, ohne Plan? Zurück zum Anfang. Ich wusste schon sehr lange, dass ich gern mit Kindern arbeiten wollte. Schule gefiel mir als Arbeitsort grundsätzlich auch, aber so wie ich es selbst erlebt hatte, wünschte ich es mir nicht für meine eigene Lehrerrolle. Mir war damals schon klar, dass ich kein „Lehrplan-Service“ sein wollte, der irgendwie „von oben“ kommt, aber vielleicht gar nicht zu der Arbeit mit den Kindern passt.

Es folgten Praktika an einer Förderschule, einer heilpädagogischen Pflegeeinrichtung für Kinder und einer Grundschule. Da sah ich mich doch mehr im Bereich Schule. Am liebsten hätte ich Sondererziehung und Rehabilitation auf Lehramt studiert, doch ich bekam leider keinen Studienplatz. Andere Lehramtsstudiengänge überzeugten mich nicht.

Letztendlich studierte ich Germanistik und Sozialwissenschaften auf Magister (später Bachelor/Master) und begann, u.a. für eine Tageszeitung zu schreiben, was mir auch ausgesprochen gut gefallen hat. Deswegen blogge und schreibe ich heute noch so gerne!

Kein Weg ohne Abbiegung

Doch schon bald war ich wieder mitten im Thema „Alternative Pädagogik“ und der Waldorfweg begann, mit einem schönem Zwischenstopp bei Montessori – by the way.

Warum und wieso alles so kam, wie es kommen musste und ich familiär und beruflich voll ankommen konnte, darüber habe ich mit Dustin gesprochen, der auch Waldorflehrer, aber an einer anderen Schule, ist. Wir haben einen gemeinsamen Podcast „Kaffee, Kreide, Morgenspruch“ gestartet, wo wir uns – natürlich ganz subjektiv – über unser Waldorflehrerleben unterhalten. Dustin war übrigens auch Staatsschüler und hat auch einen sehr speziellen Weg in die Waldorfpädagogik gefunden.

Wir würden uns freuen, wenn Ihr mal bei uns reinhört. Ab Freitag überall, wo es Podcasts gibt!

Wir sind zwar keine Podcast-Profis, aber wir machen einfach
mal – könnte ja gut werden!