Eine besondere Epoche in der Planung

Eines meiner liebsten Blogthemen ist immer wieder, dass der Waldorflehrplan besondere Epochen für besondere kindliche Entwicklungsschritte bereithält. Es begeistert mich sehr, wie wir die Kinder dadurch unterstützen und begleiten können. Eine dieser ganz besonderen Epochen steht für meine Klasse auch in Kürze wieder an. Diesmal ist es das Thema „Hausbau“.

Vom groben Plan….

Ich habe diese Epoche im Kopf. Ich weiß, warum ich sie unterrichte. Und ich weiß, wie ich sie für meine Klasse umsetzen werde. Seit Monaten freue ich mich sehr darauf. Doch diese Epoche ist nur für Präsenzunterricht geeignet, ich brauche die Kinder vor Ort dazu.

Es war und ist ein Zittern und Bangen. Noch vor gut 3 Wochen lag der Corona-Inzidenzwert am Schulstandort bei über 300, besonders in den letzten Tagen ist er aber rapide gefallen. Und damit kann ich endlich weiter planen: Unsere Hausbau-Epoche ist zum Greifen nah.

…zur genauen Ausarbeitung

Klar ist: Es wird Unterricht im Wechselmodell, also jedes Kind hat im täglichen Wechsel Präsenz- und Distanzunterricht. Das muss ich berücksichtigen.

Ich vertiefe für mich noch einmal ganz gründlich den pädagogischen Hintergrund, den Wendepunkt im Leben eines Kindes im 9. Lebensjahr: Der Umzug im „eigenen Haus“, ein inneres „Umgestalten“ vollzieht sich beim Kind: Körperlich, seelisch und geistig. Ich denke intensiv an jedes einzelne Kind und sehe es vor mir (wunderbarer Nebeneffekt: Bei dieser Übung schneien wieder neue Zeugnissprüche rein).

Ich plane, wie wir gemeinsam künstlerisch herangehen können und suche einen schönen Spruch, den wir zusammen sprechen können. Leider dürfen wir ja nicht singen und flöten. Ein Spiel für den rhythmischen Teil, zum gemeinsamen Einstimmen, das suche ich auch.

Inhaltlich geht es um die Gewerke des Hausbaus. Hier wird gelesen, geschrieben, gezeichnet. Die Dokumentation wird eher im Homeschooling stattfinden, nach erster Anleitung in der Schule.

Jedes Kind soll vor Ort in der Schule den individuellen Raum bekommen, sein persönliches Traumhaus zu planen und in der Klasse als Modell zu bauen. Hier sind der Kreativität und Schaffensfreude keine Grenzen gesetzt, eine großes Gefühl von Selbstwirksamkeit – in der aktuellen Lage so unendlich wichtig. Und es ist wichtig, dass diese Häuser in der Schule gebaut werden. Denn die Kinder sollen sich auch untereinander im Tun wahrnehmen.

Und in Gemeinschaft schaffen wir auch noch etwas für die Schulgemeinschaft: Im Schulgarten gibt es eine gemeinsame Bauzeit. Hier zählt jede helfende Hand. Wir wollen zusammen ein Hühnergehege bauen, vor unserem Lehmofen eine kleine Fläche pflastern und außerdem einen schönen Festplatz herrichten. Gemeinschaftsgefühl – der zweite große Mangel der letzten Zeit.

Jetzt heißt es: Daumen drücken!

Ehrlich gesagt, ich hatte in letzter Zeit so oft das Gefühl, dass besonders die schönen Seiten meines Berufs so derart ausgebremst werden. Ich habe wirklich sehr darauf gewartet, dass es endlich vor Ort weitergehen kann mit den Kindern. Jetzt ist der Schuljahresendspurt vor Ort zum Greifen nah. Mit der ersehnten Epoche.

Ich werde berichten.

Hinweis: Auf dem Bild ist die Zeitschrift „Vorhang Auf“ zum Thema „Hausbau zu sehen. Dies ist eine unaufgeforderte und unbezahlte Werbung, da Empfehlung. Ich habe das Heft selbst gekauft.

Das erste Geschwisterkind

In meiner Reihe zum Thema „Geschwister“ geht es noch einmal um die Erstgeborenen. Ihre Zeit als Einzelkind endet, wenn das erste weitere Geschwisterkind geboren wird.

Das Kind als Mittler

Karl König bezeichnet in seinem Buch „Brüder und Schwestern“ die Erstgeborenen als Mittler zwischen den Erwachsenen und den übrigen Geschwistern. Erstgeborene bleiben auch beim Hinzukommen eines Geschwisterkindes enger mit den Erwachsenen verbunden als Zweit- oder Drittgeborene. Dabei sind sie „nach beiden Seiten gerichtet: Für die Eltern sind sie Kind, für die jüngeren Geschwister können sie als Stellvertreter der Eltern erscheinen“. So stehen viele Erstgeborene ihren Eltern als „Große“ zur Seite, wenn ein Baby in die Familie kommt.

Entthronung

Es kann aber auch durchaus vorkommen, dass sich Erstgeborene durch die Ankunft des Geschwisterkindes, zu dem sich alle Erwachsenen jetzt auch hinwenden, tief entmutigt und verunsichert fühlen. Dann mögen sie sich nicht einbringen und dem Jüngeren ein Vorbild sein. In Folge kann es passieren, dass Selbstvertrauen verloren geht. Doch wenn wir uns der Konstellation und der Entwicklungsaufgaben der/des Erstgeborenen bewusst sind, können wir an vielen Stellen einen positiven Übergang ins Geschwisterdasein schaffen.

Individuelle Konstellationen

Auch hier ist das Thema „Geschwister“ natürlich sehr individuell und schicksalhaft. Äußere Faktoren, die auf die Geschwisterkonstellation wirken, sind die Geschlechter und Altersunterschiede der Kinder: Es ist ein Unterschied, ob ein Mädchen einen jüngeren Bruder bekommt oder ein Junge einen jüngeren Bruder. Zwei Mädchen, zwei Jungen oder beide Geschlechter in der Familie – das hat an manchen Stellen seine Auswirkungen. So gibt es etwa häufiger ein größeres Rollenbewusstsein Junge/Mädchen, wenn beide Geschlechter da sind.
Zudem muss auch darauf geblickt werden, in welchem Entwicklungsalter sich das erstgeborene Kind befindet, sprich: Wie groß ist der Altersunterschied und während welcher Entwicklungsaufgabe wird das Erstgeborene vom Einzelkind zum Geschwisterkind?

Die Entwicklungsalter

Hier habe ich einmal eine sehr komprimierte Übersicht über das erste Jahrsiebt zusammengefasst. Viele Altersunterschiede zwischen Erst- und Zweitgeborenen liegen in diesem Bereich:
Ist das Erstgeborene noch selbst im ersten Lebensjahr, ist es damit beschäftigt, seinen Körper zu ergreifen, Laufen zu lernen und sich im Raum zu orientieren.
Im zweiten Lebensjahr beobachtet und erlebt es gern alles, was sich bewegt: Vom Wasserhahn im Bad bis zum Auto auf der Straße. Außerdem entwickeln sich die Sprache und das eigene Sprechen.
Wenn bis zu dieser Zeit ein weiteres Kind geboren wird, sind sich die Kinder meist sehr nah und das Erstgeborene kann sich später nicht mehr an seine Zeit als Einzelkind zurückerinnern. Jirina Prekop schreibt in ihrem Buch „Erstgeborene“ sogar, dass die Rollen „Erst“ und „Zweit“ sich drehen können oder zwillingsgleich werden, wenn der Altersunterschied so gering ist.
Im dritten Lebensjahr erwacht das Ich-Bewusstsein, der Ich-Gedanke wird erstmals selbständig von dem Kind gedacht. Es erlebt sich selbst und dabei kommt es in die bekannte „Trotzphase“. Hier werden die Schwangerschaft der Mutter und die Ankunft des Geschwisterkindes bewusst erlebt und in der Regel auch erinnert.
Das vierte Lebensjahr ist von aktiver Tätigkeit und Wiederholungen geprägt: Kleine Lieder und Verschen werden unermüdlich gesungen, Rhythmen und Fingerspiele immer und immer wieder gespielt. Es ist die Zeit der Rituale, auch innerhalb der Familie. Hier kann man Geschwisterkinder sehr positiv in gute Gewohnheiten einbinden.
Im fünften und sechsten Lebensjahr wird auch viel imitiert, vermischt mit Fantasie. Es wird gespielt, was die Erwachsenen tun. Wer hier ein jüngeres Geschwisterkind bekommt, mag gern helfen oder mit den eigenen Puppen „Baby“ spielen.
Im sieben Lebensjahr werden viele Denkprozesse möglich. Hier liegt oftmals der erste Schultag.
Die zusätzliche Ankunft des Geschwisterkindes kann die Verbindung zur Familie stärken oder eben auch für Verunsicherung sorgen. Kind 1 braucht jetzt viel Sicherheit während vieler Umbrüche.

Gibt es den „perfekten Zeitpunkt“ für Kind 2?

Das Wichtigste ist meiner Ansicht nach, sich bewusst zu machen, in welchem Alter und vor welchem Entwicklungssprung das erste Kind steht. Hier sollte man es begleiten und ihm Sicherheit geben.

Die freudige Aufregung um die Ankunft des neuen Familienmitglieds ist selbstverständlich groß, das Erstgeborene muss manchmal länger warten, bis es an der Reihe ist und verliert die ungeteilte Aufmerksamkeit an das Geschwisterkind. Doch ein Geschwisterkind ist auch eine Bereicherung. Es gibt noch jemanden auf der „Kinderseite“ in der Familie und je nach Altersunterschied auch ein*e Spielkamerad*in. Dies entwickelt sich meist rasch.

Und mit Blick auf das ganze Leben ist es die längste Bindung zu einem Menschen, die wir haben.

Die Welt ist gut, schön und wahr (1)

Das Schöne bewundern
Das Wahre behüten
Das Edle verehren
Das Gute beschließen:

Es führet den Menschen
im Leben zu Zielen,
im Handeln zum Rechten,
im Fühlen zum Frieden,
im Denken zum Lichte
und lehrt ihn vertrauen

Auf göttliches Walten
in allem, was ist.
Im Weltenall,
im Seelengrund

Rudolf Steiner

Die ersten drei Jahrsiebte und ihre Entwicklungsaufgaben

Entwicklungsaufgaben – das Wort sagt bereits Einiges. Aufgaben bekommt man, man nimmt sie an, man geht sie aktiv an. Man wird nicht entwickelt, sondern man entwickelt sich. 

In der Waldorfpädagogik wird die Entwicklung von Heranwachsenden in drei Entwicklungsstufen von jeweils sieben Jahren gesehen, die ersten drei Jahrsiebte. Jedes Jahrsiebt ist von einer gewissen Stimmung geprägt und bringt ihre Aufgaben mit, die es zu bewältigen gilt.

Worauf es in dieser Zeit ankommt und welche Fragen auch für die eigene Biografie gestellt werden können, möchte ich mit meiner kleinen Reihe „Die Welt ist gut, schön und wahr“ vorstellen. Ich hoffe, ich kann dabei viele Impulse geben.

Mehr aus dieser Reihe

Weiterlesen: Das erste Jahrsiebt

Weiterlesen: Das zweite Jahrsiebt

Weiterlesen: Das dritte Jahrsiebt

Die ganze Reihe als YouTube Film wird auch noch hier, an dieser Stelle, erscheinen.

Auf ins 3. Schuljahr – Rubikon oder der nächste Entwicklungsschritt

Das 3. Schuljahr hat es in sich, denn die Kinder werden rund um ihren 9. Geburtstag einen großen und wichtigen Entwicklungsschritt machen und darauf reagiert die Waldorfpädagogik mit einigen Besonderheiten im Lehrplan. Da ich noch immer keinen Live-Elternabend mit meiner Elternschaft machen konnte, habe ich zur Information dieses Video erstellt, das bestimmt auch für den einen oder anderen interessant ist. Und ganz wichtig: Es handelt sich um einen kindlichen Entwicklungsschritt, in der Waldorfpädagogik „Rubikon“ genannt. Es hat noch nichts mit Pubertät oder Vorpubertät zu tun!

Ich wünsche viel Freude beim Zusehen und -hören 🙂