Das Thema Geschwister ist sensibel, schicksalhaft und sehr individuell. Man kann es nur qualitativ, vom Einzelfall aus, vertieft betrachten und bei Verallgemeinerungen von den Dingen ausgehen, die wirklich alle Geschwisterposititionen gemeinsam haben. Doch schon, wenn man sich Allgemeines bewusst macht, bekommt man einen zusätzlichen Blickwinkel, sowohl bei der Betrachtung der eigenen Rolle innerhalb der Familie, als auch beim Blick auf die eigenen und die anvertrauten Kinder.
Erstgeborene machen Familie
Erstgeborene – egal, ob sie Einzelkind bleiben oder ihnen noch weitere Geschwisterkinder nachfolgen – haben etwas Großes gemeinsam: Sie stellen das Leben ihrer Eltern tiefgreifend auf den Kopf. Sie machen aus einem Paar oder auch Single eine Familie. Das Leben ihrer Eltern wird durch sie völlig verändert. Dabei spielt es keine Rolle, ob man jahrelang sehnsüchtig auf die Schwangerschaft gewartet hat oder sich „außerplanmäßig“ in dem neuen Leben wiederfindet.
Viele Paare fühlen sich durch ihr Kind noch tiefer miteinander verbunden und erreichen in ihrer Liebe eine neue Stufe. Das Kind wird zu einer neuen Brücke, wie Jirina Prekop in ihrem Buch „Erstgeborene“ so schön bildlich beschreibt. Es gibt aber auch Paare, die sich durch ihre Elternrolle als Partner mit der Zeit aus den Augen verlieren, mit dem Kind zwischen sich eine „Trennwand“ errichten. Es wirkt polarisierend.
Die neue Rolle als Mutter, Vater oder Eltern will also gut vorbereitet sein und die Paarbeziehung immer wieder neu bewusst gemacht werden.
Erstgeborene organisieren das Leben neu
Meist ändern sich Berufstätigkeiten, Wohnsituationen und auch Beziehungen neu. Man lernt andere junge Familien kennen, kinderlose Freunde trifft man mit der Zeit doch eher seltener. Oftmals wird bei den neuen Eltern das Band zu ihrer Ursprungsfamilie nochmals enger. Im Mittelpunkt des Lebens steht jetzt ein kleiner Mensch, der heranwächst und in den nächsten Jahren geliebt, behütet und glücklich aufwachsen soll.
Gerade bei Erstgeborenen sind zudem viele frisch gebackene Eltern noch unsicher und hinterfragen sich häufig – selbst, wenn sie in ihrer Familie zuvor bereits häufig mit Neugeborenen umgehen durften. Doch nun selbst in der Rolle seines Lebens zu sein, wirft manchmal die Frage auf: Mache ich alles richtig? Bin ich gut in meiner Elternrolle?
Was macht das mit den Erstgeborenen?
Erstgeborene haben ein enges Band mit den Erwachsenen um sie herum und ihre Eltern, mindestens die erste Zeit ihres Lebens, ganz für sich. Das ist prägend. Karl König zitiert in seinem Buch „Brüder und Schwestern“ die amerikanische Psychologin Margret Lautis, die in ihrer Studie darstellt, dass Erstgeborene die Erwachsenen mehr imitieren, ihre Nähe und Anerkennung suchen als Zweit- und Drittgeborene. Dies macht sie häufig zu kleinen „Denkern“, die die Nähe zu Erwachsenen genießen.
Und auch sie spüren, dass ihre Eltern mit ihnen viel Neuland in der Elternrolle betreten. Oft sehen sich die Erstgeborenen auch als „Vorkämpfer“. Sie haben als Erste die Frage aufgeworfen, wieviel Schokolade genascht werden darf. Haben als Erste verhandelt, wie lange man mit 16 ausgehen durfte und wann in den Ferien die Bettgehzeit ist.
Wie geht es weiter?
Das Erstgeborene ist auf der Welt. Bleibt es Einzelkind? Bekommt es Geschwister? Entsteht mit den Jahren vielleicht auch eine Patchworkfamilie?
Ihr merkt, die neue Reihe über „Geschwister“ ist nicht nur sehr spannend, sondern auch vielschichtig. Ich hoffe, dass ich mit den vorsichtig dargestellten allgemeinen Aussagen schon ein wenig eigene Vertiefung anstoßen konnte und freue mich auch über Eure Fragen und Kommentare.