Handwerk und künstlerisches Schaffen im zweiten Jahrsiebt

Im Rahmen unserer Themenreihe „Das zweite Jahrsiebt“ ist dieser Gastbeitrag über die künstlerischen Fächer an der Waldorfschule entstanden. Die Autorinnen sind Wiebke Vos (Text) und Felicitas Bannatz (Bilder).

Freude am Leben, Liebe zum Dasein, Kraft zur Arbeit, alles das erwächst für das ganze Leben aus der Pflege des Schönheits- und Kunstsinnes. Und das Verhältnis von Mensch zu Mensch, wie wird es veredelt, verschönt durch diesen Sinn …

R. Steiner in „Die Erziehung des Kindes“

Mit diesem Zitat wird die Aufgabe, die in der Waldorfpädagogik den künstlerisch-praktischen Fächern zugeschrieben ist, ersichtlich.

Das handwerkliche und künstlerische Arbeiten hat an der Waldorfschule den gleichen Stellenwert wie Naturwissenschaften, Deutsch oder die Sprachen. Malen und Zeichnen findet in der Unterstufe während des Hauptunterrichtes statt, wird aber auch in anderen Fächern wie Religion immer wieder aufgegriffen.

Handarbeit

Ab der ersten Klasse gibt es auch Handarbeitsunterricht. Die Schüler:innen lernen dort das Häkeln, Stricken und Sticken. Sie erstellen kleine Figuren und praktische Dinge wie Flötenbeutel, Ballnetze uvm.

Die Arbeit mit den Händen schult die Feinmotorik. Gleichzeitig wirkt sie sich positiv auf die Konzentration aus. Gleichzeitig trägt es zu einer gesunden Entwicklung des Gehirns bei: Je geschickter sich die Finger bewegen, desto lebendiger entfalten sich die Gedanken. Gleichzeitig erleben die Schüler:innen, wie sie selbst etwas herstellen.

Werkunterricht in der Mittel- und Oberstufe

In der Mittelstufe kommt der Werkunterricht dazu. Dieser wird oft parallel zum Handarbeitsunterricht gegeben. Die Kinder machen die Erfahrung, dass sie sich auf die Gegebenheiten des Materials einstellen müssen. Der jeweilige Werkstoff setzt den Schüler:innen eigene „Grenzen“, wodurch die Lehrenden gar nicht korrigierend eingreifen müssen. Während am Werkstück gearbeitet wird, findet Selbsterziehung und Willensschulung statt.

Auch in der Oberstufe werden weiterhin praktische Fächer unterrichtet. Hierbei steht zum einen das Begreifen des Materials im Fokus. Mögliche Aktivitäten sind: Kupfer treiben, schreinern, plastizieren, steinmetzen, Weiden flechten, Wolle spinnen, weben, schneidern, zeichnen und malen, Kartonage, Buchbinden. Andererseits sollen die Arbeiten von anderen wertgeschätzt werden. Manche Schüler:innen finden dabei sogar ihr „Lieblingsmaterial“, das sie ihr weiteres Leben als Künstler:in begleiten wird.

Gartenbau

Der Gartenbauunterricht führt ab der Mittelstufe über mehrere Jahre in die unterschiedlichen Gartenarbeiten ein. Hierbei steht immer der Anbau unterschiedlicher Obst- und Gemüsesorten im Zentrum der Arbeiten sowie die zugehörige Pflege. Natürlich werden die Arbeiten im Jahreslauf fortgesetzt und schaffen somit ein besseres Bewusstsein für die Jahreszeiten.

Bei uns an der Schule, wie an vielen anderen auch, müssen zudem Tiere versorgt, gefüttert un gehütet werden. In diesem Unterricht werden die grob- und feinmotorischen Fähigkeiten wiederum geschult.

Die wesentlichen Soft Skills der praktischen Fächer

von N.Mescher

Handarbeit ab Klasse 1: Sinnesschulung, motorische Fähigkeiten, Selbstwirksamkeit

Werkunterricht: Willensschulung und Sorgfalt. Die Arbeit am Werkstück muss stets planvoll und sorgsam geschehen. Fehler lassen sich kaum korrigieren – ist ein Stück Holz oder Stein abgeschlagen, ist der Werkstoff nicht mehr so, wie er vorher war.

Gartenbau: Alles zu seiner Zeit – Gartenplanung ist langfristig. Monatelang wird gepflegt, was reifen und Ernte bescheren soll. Ist Erntezeit, kann wiederum nicht aufgeschoben werden. Und auch der beste Garten ist der Natur und dem Wetter ausgeliefert.

Dies ist nur eine grobe Übersicht. Es werden noch viele weitere Fähigkeiten und Kompetenzen entwickelt!

Über die Martinsbrezeln

Bald ist wieder Sankt Martin. Die Symbole des Martinsfestes sind tief in uns verankert: Die Laternen bringen Licht in die Dunkelheit (und in die Herzen), die Martinsbrezeln werden miteinander geteilt. Nachdem ich ein wenig der Frage nachgegangen bin, warum eigentlich ausgerechnet Brezel das „Martinsgebäck“ wurden, habe ich eine kleine Geschichte dazu aufgeschrieben.

Der genau Ursprung ist nicht bekannt

Es gibt viele verschiedene Quellen, Gedanken und Legenden dazu – wie immer, wenn eine Tradition sehr alt ist und sich in mehreren Ländern und Regionen erhalten hat. Eine Legende gefiel mir allerdings besonders gut (Quelle: Brotexperte.de): Ein Bäcker wurde wegen Betruges angeklagt und um einer Strafe zu entgehen, sollte er ein Brot backen, durch das die Sonne dreimal durchscheinen kann. So kam er auf die Form des Brezels, die auch an gekreuzte Arme beim Gebet erinnert und die übrigens daher auch ihren Namen hat (Ableitung vom lateinischen Begriff Bracchium, der Arm). Als ich das las, entstand bei mir die Idee, diese Legende ein Stückweit nachzuerzählen.

Meine Geschichte dazu

In meiner Geschichte hat der Bäcker sein Urteil angenommen und wünscht sich zutiefst eine Wiedergutmachung. Dabei nimmt er seine gutherzige Frau zum Vorbild, um ein noch besserer Mensch zu werden. Am Ende wird ihm verziehen und er kann zudem seine guten Gedanken an viele andere Menschen weitergeben und somit ebenfalls teilen.

Geschichte und Rezept

Die Geschichte kann vorgelesen und erzählt werden, bevor man gemeinsam Brezeln backt – oder vor dem gemeinsamen Essen und miteinander Teilen am Martinstag.

Hier ist die Geschichte als Download

Und hier ab dem 7.11.22 als Montagsmärchen in meinem Podcast „Märchen mit Klang“.

Gern teile ich an dieser Stelle mit Euch auch wieder mein Lieblings-Brezelrezept.

Ich wünsche Euch einen schönen Martinstag mit Euren Lieben!

Über den Epochenunterricht

Für unsere Themenreihe „Das zweite Jahrsiebt“ schreibt heute Wiebke Vos über den inhaltlichen Arbeitsteil des Epochenunterrichtes. Dieser wird umrahmt von rhythmisierten Übungen zu Beginn der Epochenzeit und dem abschließenden Erzählteil.

Über die ganze Schulzeit gesehen fängt der Unterricht an Waldorfschulen morgens mit den Epochenunterricht, vielerorts Hauptunterricht genannt, an. In der Unter- und Mittelstufe unterrichtet der/die KlassenlehrerIn die Klasse über mehrere Wochen in einem Unterrichtsfach. So haben meine SchülerInnen zum Beispiel seit 3 Wochen jeden Morgen Schreiben/Lesen.

Die Möglichkeit, intensiv in ein Thema einzutauchen

Die Unterrichtsepochen der ersten Klassen sind lang und wenig differenziert. Formenzeichnen, Rechnen und Schreiben wechseln sich ab. Hierbei ist es jedoch den LehrerInnen überlassen, in wie weit sie Natur, Jahreszeiten, Heimat und Umwelt mit einfließen lassen. In der zweiten und dritten Klasse gibt es zusätzlich zu den drei „Hauptfächern“ noch besondere Epochen wie die Bienenepoche, die Franziskusepoche, die Tierkunde- und die Ackerbauepoche. 

Übergang zur Mittelstufe

In der Mittelstufe werden die Epochen spezialisierter, es wird mehr differenziert und es kommen neue Fächer hinzu: 

Deutsch, Sachkunde, Heimatkunde, Erdkunde, Tierkunde, Menschenkunde, Pflanzenkunde, Gesteinskunde, Physik, Chemie, Geschichte, Mathematik, Geometrie usw.

Die Inhalte aus den Epochen werden auch in Übungsstunden aufgegriffen und dürfen über Nacht reifen. Dadurch wird häufig ein deutlicher Tiefgang erreicht. Ebenso wie der Schlaf in der Nacht, sind die Pause zwischen den Epochen Momente der stillen Reflexion. 

Indem sich die SchülerInnen zu einem späteren Zeitpunkt an den Unterrichtsinhalt erinnern, kann auch das Wissen gefestigt werde.  Der Unterrichtsstoff wird dadurch nachhaltig vermittelt. 

Epochenhefte

Während der Epochen arbeiten die Kinder in Epochenheften. Damit gestalten sie SchülerInnen ihre eigenen Lehrwerke. 

Die Klassenlehrerzeit und das zweite Jahrsiebt

Nach unserer gemeinsamen Themenreihe über die Aufnahme und Einschulung an der Waldorfschule hat sich wiederum eine Gruppe Waldorflehrer:innen gefunden, um über die Klassenlehrerzeit, die dann ins zweite Jahrsiebt fällt, zu schreiben. Hierzu auch wieder ein Gastbeitrag von Kerstin Gruler-Fuchs.

Heute möchte ich mit unserer neuen Themenreihe „Das zweite Jahrsiebt“ starten. Nachdem im ersten Jahrsiebt die Grundhaltung zum Kind “ die Welt ist gut“ galt, ist es im zweiten Jahrsiebt“die Welt ist schön.“

Eine Haltung, die schon gut beschreibt was in der „Mitte der Kindheit“ um das Kind herum passiert. Laut Rudolf Steiner passieren tiefgreifende Entwicklungsschritte: Die Entwicklung der Sinne beispielsweise ( hier gibt es in der WP noch fünf weitere ) .

  • Das Kind möchte seine Umgebung immer mehr verstehen und durchdringen.
  • Ein Stück mehr im eigenen Körper angekommen, werden nun wieder Lebenskräfte frei, welche die Reifung des Seelischen und Geistigen voranbringt.
  • In dieser Zeit finden die sogenannten Schwellenjahre statt. Die Temperamente entwickeln sich, der Rubikon, die Vorpubertät sind solche Ereignisse, durch deren Herausforderung Kinder reifen können und Selbstbewusstsein erlangen.

Die Welt ist schön

Die Welt ist schön, soll nicht eine heile Welt vorspielen und die wahre Sicht auf die Dinge verzerren, im Gegenteil. Die Gabe, in allem das Schöne zu sehen, stärkt die Herzenskräfte.

Den Kindern beispielsweise die Natur oder das Zusammenleben zwischen Menschen in all ihrer Schönheit zu zeigen, lässt Liebe für die Welt und das Leben entstehen. Es geht also nicht darum, das weniger Schöne auszublenden, sondern in dem, wie es ist, das Schöne zu finden.

Eine unterstützende und liebevolle Begleitung auf körperlicher, seelischer und geistiger Ebene ist für diese Entwicklungsphase besonders wichtig.

Nun dürft ihr euch auf die kommenden Tage freuen in welchen noch viele interessante Beiträge zum Thema folgen werden (Anmerkung: Instagram #daszweitejahrsiebt).

Die Mitte der Kindheit

Nachdem sich die große Aufregung um den neuen Lebensabschnitt „Schulkind“ gelegt, die Kinder ihre ersten Schuljahre gemeistert haben und weiter herangereift sind, tritt ab dem dritten Schuljahr bald eine große neue Veränderung ein, die im vierten Schuljahr vollendet wird: So wie Caesar den Rubikon überschritt und keine Rückkehr mehr möglich war, beenden die Kinder einen ersten Abschnitt ihrer Kindheit unwiederbringlich.

Eine nahezu plötzliche Veränderung

Oft geschieht es rasch: Ein Kind, das immer so fröhlich gespielt hat, wirkt auf einmal ernst und in sich gekehrt. Auch der Blick hat sich verändert. Wir werden genau angesehen, fast geprüft. Die natürliche Nachahmung verschwindet, die Dinge werden nicht mehr einfach so hingenommen. Fragen entstehen, das Gerechtigkeitsgefühl erstarkt, es wird hinterfragt, was vorher selbstverständlich war. Gefühle geraten ins Schwanken.

Diese plötzliche Veränderung zieht einen neuen Prozess nach sich, auf den sich Eltern einstellen sollten.

Was ist geschehen?

So wie im dritten Lebensjahr das Bewusstsein für die eigene Persönlichkeit erwacht und die Kinder anfangen, zu sich selbst „Ich“ zu sagen, erwacht jetzt das gefühlsmäßige Erleben der eigenen Persönlichkeit, des eigenen Schicksals. Aus dem fröhlichen Hier und Jetzt wird ein fragendes „warum bin gerade ich genau hier?“ und „wo komme ich her?“ Das führt auch dazu, dass die Kinder sich manchmal unverstanden fühlen und verletzlicher sind.

Neue Situationen

Manche Kinder hinterfragen bei kleineren Streitigkeiten in der Familie mitunter ihr Zuhause, wollen weglaufen, packen sogar schon ihren Koffer. Andere wollen alles über ihre Schwangerschaft und Geburt wissen oder äußern die Frage, ob sie adoptiert sind. Sie betrachten sich ausgiebig im Spiegel und bemerken: Das bin ich – und doch wieder nicht.

Neben Kindern in Krisenstimmung gibt es aber auch nicht wenige Kinder, die in diesem Abschnitt, der Mitte der Kindheit, ganz neue Lebensenergie verspüren und eine große Tatkraft und Entdeckerfreude entwickeln. Dies passt dann auch zu dem größeren Wachstumsschub, der sich in diesem Alter vollzieht.

Veränderte Bedürfnisse und die Antwort der Waldorfpädagogik

Diese Veränderung der Kindheit führt auch zu veränderten Bedürfnissen. Die Kinder benötigen jetzt

  • eine noch intensivere Gesprächskultur mit Erwachsenen, die ihnen aufrichtiges Interesse entgegenbringen und mit ganzem Ohr zuhören.
  • eine Fehlerkultur, die nicht angstbehaftet ist, sondern die aus Fehlern einen Erkenntnisgewinn zieht.
  • Erwachsene, die Versprechen halten und die ebenso darauf achten, dass auch die Kinder sich an Verabredungen halten.
  • viel künstlerische Betätigung und kreative Entfaltung. Oft ist dies ein guter Zeitpunkt, um ein neues Instrument zu lernen.
  • Naturerlebnisse, Entdeckung der Pflanzen, Pflege der Tierliebe. Die Kinder entwickeln einen neuen Blick in die Welt!
  • Die eigenen Kräfte spüren: Das Alter ist ideal, um neue Sportarten und Freizeitaktivitäten zu entdecken.
  • Freundschaften pflegen: Jetzt bekommen Freundschaften eine neue Tiefe und Wichtigkeit. Wessen Freund:in bin ich? Mit wem kann oder möchte ich gern befreundet sein? Dazu brauchen die Kinder Gelegenheit, unverplante Zeit miteinander zu verbringen.

An der Waldorfschule plant der/die Klassenlehrer:in nun Epochen, die inhaltlich an diesen Bedürfnissen anschließen. Hier einige Klassiker: Die Ackerbauepoche – wieviel Arbeit an der Erde und der Ernte stecken in unserem Brot? Bruchrechnen – die ganzen Zahlen gehen zu Bruch und werden auf neue Art entdeckt. Heimatkunde – mein Zuhause, meine Stadt, meine Region. Erste Grammatik – unsere Sprache wird erforscht.

Was folgt nach der Mitte der Kindheit?

Ab dem 12. Lebensjahr bemerkt man eine körperliche Schwere, begleitet von weiteren Wachstumsschüben. Die Vorpubertät setzt ein, die Hormonproduktion läuft. Die Kindheit neigt sich allmählich dem Ende zu. Nun ist es wichtig, dass wir in der Mitte der Kindheit viele gute Dinge angelegt haben, von denen die Kinder auf dem Weg zum Erwachsenwerden zehren können. Denn sie stehen bald auf eigenen Beinen.

Weitere Artikel auf dem Montagsblog zum Thema Rubikon und Mitte der Kindheit

Meine Elterninfos als YouTube Clip

Über die Rubikon-Geschichte „Yoga, Mond & Sterne“

Erzählstoff aus dem 3. Schuljahr der Waldorfschule

Das zweite Jahrsiebt

Das bewegte Klassenzimmer

Raumstruktur, Flexibilität und Miteinander – in vielen Klassenzimmern sind die Bänkchen, das Bochumer Modell, nicht mehr wegzudenken. Es bietet viele Möglichkeiten, die einzelnen Unterrichtsphasen zu gestalten und vor allem eins: Kinder in Bewegung.

Über die Bänkchen als Klassenzimmermobiliar

  • Sie können von den Kindern selbst umgestellt werden können.
  • Sie sind stapelbar und damit kann bei Bedarf viel Platz geschaffen werden.
  • Dreht man sie um, hat man einen kleinen Balancierbalken, der aber auch als Hürde eingesetzt werden kann.
  • Die Sitzfläche ist groß genug, dass sie Kinder sie auch als Tisch benutzen können, wenn sie frühstücken oder arbeiten. Es passen gut zwei aufgeschlagene Epochenhefte im Querformat darauf.

Kinderleicht verstellt und viel gewonnen

Die Bänkchen sind vielfältig und das Beste ist: Die Kinder stellen sie selbst um. Dabei spüren sie ihre Kräfte und das zu tragende Gewicht sorgt erst für erhöhte Körperspannung, danach für ein Gefühl der Entspannung. Außerdem üben die Kinder, miteinander zu arbeiten – immer zwei stellen ein Bänkchen, während dies um sie herum abe auch auch alle anderen Kinder tun. Am Ende muss eine Formation für die ganze Klasse stehen: Möglichst zügig und ganz sicher ohne Kollisionen.

Alle helfen mit und das ist eine kleine soziale Herausforderung: Wenn zwei Kinder ein Bänkchen tragen, dabei darf das eine Kind nicht schneller oder langsamer laufen als das andere Kind. Und wenn zusätzlich die ganze Klasse gleichzeitig alle Bänkchen verstellt, muss man auch einmal warten oder andere vorbeilassen, bis das Bänkchen am gewünschten Ort abgestellt werden kann – auch wenn man gern selbst schon dorthin möchte. Ein anderes Mal ist man aber auch schnell fertig und kann vielleicht noch anderen dabei helfen, ihr Bänkchen richtig zu platzieren – oder einfach mit schauen, ob die Formation insgesamt gut steht.

Das Umstellen der Bänkchen ist aber nicht nur eine kleine soziale Bewegungseinheit zwischendurch, es erfordert und schult auch die räumliche Orientierung im Klassenzimmer. Die Sitzordnung wird stets eingehalten und auch an dieser Stelle ist spürbar, dass es verlässliche Regeln und eine jederzeit schützende Ordnung in der Klasse gibt. Jedes einzelne Kind darf sich sicher, selbstwirksam und selbständig fühlen.

Die alltäglichen Formationen

Die verschiedenen Bänkchen-Formationen geben den verschiedenen Phasen der Epochenzeit ein „Gesicht“ im Raum. Und natürlich ist die jeweilige Struktur auch sehr hilfreich.

Parcours

Manche Kolleg:innen starten mit einem kleinen „Begrüßungsparcours“, der die Kinder jeden Tag neu in die Klasse einlädt.

Morgenkreis, gemeinsame Erarbeitung

Die erste Formation ist dann der Morgenkreis. Vieles wird auch gemeinsam in der Kreismitte erarbeitet, ausprobiert und angeschaut.

Reihen

Wenn jedoch an der Tafel gearbeitet wird und abgeschrieben werden muss, bieten sich die Reihen an. Hier müssen die Kinder dann wissen, in welche Reihe und an welche Stelle ihr Bänkchen stehen muss.

Das ist nur eine kleine Auswahl. Der Kreativität und den Möglichkeiten sind praktisch kaum Grenzen gesetzt.

Die Kissen sind eine schöne Ergänzung.

Sie können zum Sitzen flach und hochkant genutzt werden. Außerdem sind sie auch für eigene Spiele z.B. als Flusssteine oder zum Bau einer Höhle, in Kombination mit den Bänkchen, zu verwenden

Meine Erfahrung: Vor- und Nachteile

Die Vorteile sind ja bereits klar dargestellt: Die Bewegungs- und Körpererfahrungen, die Tages- und Raumstruktur, das soziale Miteinander. All das möchte ich nicht missen und würde es in den Schuleingangsklassen auch jederzeit befürworten.

Ich habe bei meiner Arbeit aber auch beobachtet, dass manche Kinder sich auch einmal zwischendurch richtig anlehnen wollen. Das ist an den Bänkchen so nicht immer möglich. Daher habe ich die Kinder bei bestimmten Übungen auch manchmal Rücken an Rücken sitzen und sich gegenseitig anlehnen lassen.

Zudem hatte ich hinten in meiner Klasse immer auch einen kleinen Gruppenarbeitsplatz aus zwei kleinen Doppeltischen mit Stühlen aus dem üblichen Schulmobiliar eingerichtet. Diese Plätze wurden in Arbeitsphasen bei Bedarf flexibel genutzt, ansonsten wurde auf den Tischen auch mal etwas zum Betrachten ausgestellt.

Insgesamt – Ihr merkt es – bin ich ein großer Fan des bewegten Klassenzimmers. Schreibt mir auch gern von Euren Erfahrungen!

(Zu) frühe Einschulung

Heute geht es in unserer Themenreihe „Aufnahme an der Waldorfschule“ um die Auswirkungen, die eine für das Kind zu frühe Einschulung haben kann. Ein Gastbeitrag von Wiebke Vos.

Heranreifen im letzten Kindergartenjahr

Das Einschulungsalter wurde in den vergangenen Jahren von staatlicher Seite aus mehrfach vorgezogen. Dagegen können auch Waldorfschulen nur geringfügig vorgehen, obwohl gerade das letzte Kindergartenjahr oft als sehr wichtig angesehen wird. Hier findet eine wesentliche Abrundung der Entwicklung statt, die Kinder gewinnen an Selbstvertrauen und entwickeln neue Energiepotentiale.

Im Idealfall wird in diesem Jahr die erste Reifestufe der leiblichen Entwicklung erreicht, wonach die Kräfte für das intellektuelle Lernen frei werden.

Kinder lernen durch Erleben

Davor können sensorische Primarerfahrungen gemacht werden, die dabei helfen, die Welt zu verstheen. Kinder lernen durch Erleben. Danach können sie sich etwas vorstellen, ohne es zu erfahren. Das ist ein wichtiger Schritt zur Schulreife.

Bei Mädchen setzen die entscheidenden Entwicklungsschritte etwa ein halbes Jahr früher ein als bei Jungen (IPSUM-Studie). Bei vielen Kindern wird bereits mit fünf Jahren eine gewisse intellektuelle Reife festgestellt. Jedoch wird die soziale Reife oft nicht ausreichend berücksichtigt. Körperliche und seelische Reife liegen oft weit auseinander.

Jung eingeschulte Kinder sind dadurch oft weniger belastbar, weniger flexibel genug und haben Schwächen im Sozialen. Bei einer frühen Einschulung, also auch bei Forderung von staatlicher Seite danach, werden oft nur die kognitiven, nicht aber die entwicklungspsychologischen Gegebenheiten berücksichtigt.

Das freie Spiel

Das primäre Bedürfnis des jungen Kindes ist das freie Spiel: Bewegung, Naturerfahrung, Handwerkern, musizieren – aber nicht angeleitet. Nach diesem Bedürfnis muss der Unterricht auch für junge Kinder angepasst werden. Dafür müssen Lehrer:innen in der Pädagogik des ersten Jahrsiebts mehr geschult werden, um adäquate Bildungsangebote schaffen zu können.

Die Frage, die sich stellt, ist dann jedoch: Wie kann die Lern- und Bildungsqualität, die im freien Spiel liegt, in dem Rahmen Schule angemessen und fruchtbar angeregt werden und dabei gleichzeitig auch älteren Kindern gerecht werden?

Übersicht

Die kleine Schulstunde am Aufnahmetag

Ein Gastbeitrag zur Aufnahme an der Waldorfschule von Frauke Beckers.

Was erwartet euer Kind am Tag der Aufnahme an der Waldorfschule?

Nachdem ihr die Anmeldung für euer Kind an der Waldorfschule eurer Wahl ausgefüllt habt und nachdem ihr die Schule bei öffentlichen Veranstaltungen besucht, über Waldorfpädagogik recherchiert und Gespräche mit anderen Eltern und Mitarbeitern der Schule geführt habt, werdet ihr eines Tages von der Schule zum Tag der Aufnahme eingeladen.

Nun fragt ihr euch:

Was passiert an diesem Tag?

Wie bereiten wir unser Kind am besten darauf vor?

Mein Tipp:

Erzählt eurem Vorschulkind, dass es an diesem Tag mit anderen Kindern im gleichen Alter Schulkind an einer richtigen Schule mit einer echten Lehrerin spielen darf. Dann lasst euer Kind einfach es selbst sein.

Für euer Kind kann es – je nach Schule – eine Untersuchung durch die/den anthroposophische/n Schulärztin/-arzt geben mit verschiedenen Fragen/Übungen/Untersuchungen zur kindlichen Entwicklung mit dem Ziel, die körperliche Schulreife festzustellen. 

Dann gibt es zur Betrachtung der emotionalen und sozialen Schulfähigkeit in der Regel ein Unterrichtssetting in einer Kleingruppe, auch genannt: Die kleine Schulstunde. 

Was euer Kind dabei in etwa erwartet, zeige ich euch in den Bildern.

Es unterscheidet sich natürlich immer von Lehrperson zu Lehrperson und von Schule zu Schule. Auf jeden Fall wird alles spielerisch und altersgemäß in einen schönen Gesamtrahmen gepackt.

Ich wünsche eurem Königskind einen wunderschönen Probeschultag mit viel freudiger Aufregung, neuen Bekanntschaften und positivem Schulzauber🪄🌻!

– Frauke Beckers; Klassenlehrerin und Autorin bei wachsmalbloeckchen.de –

Als Lehrerin im Aufnahmegremium habe ich schon viele Vorschulkinder empfangen dürfen. Zu Beginn betraten die Kinder oft etwas zögerlich den Raum und entlassen durfte ich sie 40 Minuten später jedes Mal wieder mit leuchtenden Augen, scheinbar ein großes Stück gewachsen und mit einem fröhlichen „Auf Wiedersehen, Frau Beckers“. Bei den Eltern sprudelte dann förmlich aus ihnen heraus, was sie heute alles Tolles in der Schule gelernt haben😍

Entwicklung und Reife durch Spiel

Am heutigen Tag unserer Themenwoche „Aufnahme an der Waldorfschule“ geht es um die Spielreife. Hier hat Kathrin Schuster von @beziehungskunst.weimar (Instagram) die wichtigen Entwicklungsschritte in den ersten Lebensjahren dargestellt und aus anthroposophischer Sicht beleuchtet. Ich möchte einmal dazustellen, welche Möglichkeiten ein spielerisch-künstlerischer Ansatz bietet, den Übergang vom Kindergarten in die Schule zu gestalten.

Kinder im ersten Jahrsiebt

Hier hat Kathrin auch sehr die innere Haltung, mit denen wir Kindern begegnen sowie passend dazu die drei wichtigen Entwicklungsstufen – das Gehen-, Sprechen- und Denkenlernen -herausgestellt. Ich mag sehr ihr Zitat „Das Kind spielt sich durch die frühe Kindheit“. Dazu braucht es für sich eine Umgebung, die Ruhe, Versorgung, einen verlässlichen und rhythmischen Tagesablauf sowie Sinneserfahrungen bietet. Kinder verarbeiten Erlebtes oder Gesehenes aus dem Inneren heraus durch ihr Spiel.

Mehr zum ersten Jahrsiebt findet Ihr auch hier auf meinem Blog.

Wie gestaltet man einen Übergang zur Schule?

Das ist im Grunde die zentrale Herausforderung für einen gelungenen Schulanfang. Denn in der Schule wirken viele neue Inhalte von außen ein. Kathrin schlägt vor, dass Kindergärten und Schulen sich im Vorfeld mehr besuchen und austauschen sollten. Das wäre sicherlich hilfreich. In meinem Fall muss ich aber auch sagen, dass ich innerhalb meiner Klasse mehrere Kindergärten im Einzugsbereich hatte und es mir dazu als 8.Klass-Lehrerin im Vorfeld leider nur sehr begrenzt möglich war, in einen größeren Austausch zu kommen.

Dennoch ist es möglich, den Schulanfang so zu gestalten, dass das Spielerische mit Künstlerischem versehen und so äußere Vorgaben umgesetzt werden können.

Vom Spiel zur Kunst

Das Spielen ist für Kinder eine ersthafte Angelegenheit und damit kein Lustprinzip in der Form, wie wir Erwachsenen es erleben, wenn wir uns Zeit für eine Partie unseres liebsten Karten- oder Brettspiels nehmen. Kinder setzen sich im Spiel sehr ernsthaft mit ihrer Umwelt und ihren Vorbildern auseinander. In der Phase des Übergangs ist nun darauf zu achten, dass die Nachahmungskräfte einbezogen und sich das Spielen aus dem Inneren heraus auch kreativ, in künstlerischer Weise mit neuen Inhalten verbinden kann.

  • Wenn etwa gemeinschaftlich gebaut wird, bedarf es schon einiger äußerer Vorgaben, aber auch gleichzeitig eigener Ideen bei der Übernahme von Arbeiten. Dazu sind neben Geschicklichkeit auch das Treffen von Absprachen und die Zusammenarbeit mit anderen wichtige Lernfelder.
  • Bei Gruppenspielen werden Rollen wie Fänger, Verstecker usw. übernommen und auf eigene Weise ausgefüllt.
  • Noch mehr geschieht dies durch szenische Darstellungen bei kleinen Theaterspielen. Dabei werden auch Sprache, Sprechen und Gesten eingeübt und erarbeitet.
  • verschiedenste Bewegungsabläufe wie Schleichen, Hüpfen, Rennen, in die Hocke gehen, jemanden antippen usw. werden geübt und auf eigene Weise passend nach bestimmten Regeln und Signalen eingesetzt.
  • Beim Malen oder Plastizieren müssen zwar auch bestimmte Inhalte beachtet werden, es kommt jedoch auch wiederum eine größere Freiheit bei der inneren Betätigung hinzu.

Mit einem geschulten Blick für den Entwicklungsstand der Kinder lässt sich auf diese Weise ein Unterricht gestalten, der die Notwendigkeit und Ernsthaftigkeit des Spiels berücksichtigt, Freiraum für Kreativität lässt und gleichzeitig Inhalte an die Kinder heranführt. Die Anteile werden sich im Laufe der Zeit verändern, so wie es für die Kinder passend ist.

Das Spiel wirkt von innen nach außen,
Schule und Arbeitsaufträge von außen nach innen.

Nicht umsonst braucht es Erziehungskünstler.

Meine Erfahrungen und Gedanken

Ich fasse mich kurz: Wenn man Erstklass-Lehrer:in ist, sind viele neue, unbekannte Augenpaare auf einen gerichtet. Nicht wenige sind in freudiger Erwartung erster schöner Lernerfolge. Doch davon sollte man sich ein stückweit lösen, sich Zeit für die Kinder nehmen und die Ruhe bewahren.

Wenn man erst einmal mehr am Beziehungsaufbau, den guten Gewohnheiten und verlässlichen Routinen arbeitet, sind schon gute Lernvoraussetzungen geschaffen. Fließt das Künstlerische dazu ein, kann ein ruhiger Übergang gelingen.

Die Welt der Pflanzenmärchen

Am heutigen Märchenmontag habe ich ein schönes Pflanzenmärchen für Euch und Eure Lieben, das auch gut in die Martinszeit, der Zeit der Nächstenliebe, passt: Das Märchen vom Tausendgüldenkraut.

Über Pflanzenmärchen

Seit jeher und auf der ganzen Welt ziehen Pflanzen uns mit ihrer ganz besonderen Magie in ihren Bann. Sie regten die Fantasie an und ließen ganz besondere Geschichten und Märchen entstehen, die stets weitergetragen wurden.

Pflanzenmärchen lassen oft innere Bilder von Wachstum und Erneuerung, Weisheit und Heilung oder auch Reichtum und Wohlstand (reiche Ernte) entstehen.

Das Märchen vom Tausendgüldenkraut

Ein herzensguter Edelmann wird im ganzen Land für seine Nächstenliebe geschätzt. Seine großen Leidenschaft sind die Festmahle auf seinem Schloss. Doch die sind ihm bald nicht mehr vergönnt, so krank wird er. Er betet für Heilung und verspricht, die Hälfte seines Vermögens mit armen Menschen zu teilen. Dann schläft er ein und träumt von einer ganz besonderen Pflanze.

Ob er sie finden und sein Versprechen einlösen kann?

Überall, wo es Podcasts gibt

…. und hier auf meinem Blog findet Ihr die neue Folge „Märchen mit Klang“: Das Märchen vom Tausendgüldenkraut.

Ich wünsche Euch eine schöne Märchenzeit!

Info über Einsatz und Wirkung von Tausendgüldenkraut