Lauschen, sprechen, schreiben oder: Die phonologische Bewusstheit als grundlegende Basisfähigkeit für den Schriftsprachenerwerb

Ohne eine ausgeprägte phonologische Bewusstheit als Grundkompetenz ist es für Kinder schwierig, das Schriftsystem zu verstehen, also erfolgreich lesen und schreiben zu lernen. Wie man diese Basisfähigkeit frühzeitig, aber auch nachträglich fördern kann, erfahrt Ihr in diesem Artikel.

Nachplappern und sprechen

Phonologische Bewusstheit umfasst die verschiedenen Ebenen des Sprachverständnisses, die ein Kind durch Hören, Nachplappern und schließlich dem bewussten Sprachgebrauch mehr und mehr erlernt. Spätestens im Vorschulalter sollte das Erkennen von Silben durch Klatschen, das Finden von Reimpaaren oder Heraushören von einzelnen Lauten (Phonemen) spielerisch gefördert werden. Ein Kind, das phonologisch bewusst ist, kann zu Schulbeginn beispielsweise schon recht sicher Wörter in Silben aufteilen, Laute in einem Wort identifizieren oder Reimwörter finden.

Nachsprechen durch Vorsprechen: Kind braucht Mensch

Man kann gar nicht oft genug betonen, dass trotz der verlockenden Entlastung durch verschiedene Medien ein Kind das Sprechen am besten in sozialer Interaktion erlernt: Es studiert regelrecht jede einzelne Lippenbewegung seines Gegenübers, die zugehörige Mimik zur Sprache, den Klang der Stimme von vertrauten und fremden Personen. Dann probiert es aus: Die eigene Stimme, laut und leise. Singen und sprechen. Lustige Quatschwörter. Sprechen und Grimassieren. So etwas geht eben nur live, im Alltagskontext und mit einem echten Du.

Phonologische Bewusstheit und die Brücke zum Leseerfolg

Beim Lesenlernen kommt es ganz besonders darauf an, dass Kinder Buchstaben mit Lauten in Verbindung bringen – dies wird als alphabetisches Prinzip bezeichnet. Ich habe übrigens auch schon einmal über die Buchstabengeschichten im ersten Schuljahr gebloggt. Aber zurück zum Lesenlernen. Um das Prinzip zu verinnerlichen, müssen Kinder in der Lage sein, die Laute in einem gesprochenen Wort zu erkennen und gleichzeitig den entsprechenden (willkürlich festgelegten) Buchstaben zuzuordnen. Hier kommt die phonologische Bewusstheit ins Spiel.

Kinder mit einer gut entwickelten phonologischen Bewusstheit haben es leichter, die Beziehung zwischen Lauten und Buchstaben zu begreifen. Untersuchungen zeigen, dass Kinder, die in der Vorschulzeit eine hohe phonologische Bewusstheit aufweisen, schneller und erfolgreicher lesen lernen als ihre Altersgenossen mit Defiziten in diesem Bereich.

Die Bedeutung der phonologischen Bewusstheit für das Schreibenlernen

Auch für das Schreiben ist die phonologische Bewusstheit von zentraler Bedeutung. Um ein Wort zu schreiben, muss ein Kind in der Lage sein, es in seine Laute zu zerlegen und diese Laute den entsprechenden Buchstaben zuzuordnen – bei lautgetreuen Wörtern wie Igel oder Lama. Ein Kind, welches hingegen das Wort „Ball“ schreiben möchte, muss nicht nur zuerst den Laut „B“ hören und erkennen, dass dieser dem Buchstaben „B“ entspricht, gefolgt von den Lauten „A“ und „L“ – es muss auch heraushören, dass da A kurz gesprochen wird, was zur Verdoppelung des L führt.

Kinder, die also Schwierigkeiten mit der phonologischen Bewusstheit haben, haben daher oft auch Probleme beim Schreiben. Sie erkennen die Laute in den Wörtern nicht oder haben Schwierigkeiten, die korrekten Buchstaben für die Laute zu finden bzw. Strategien wie Verdoppelung oder Dehnung anzuwenden.

Eine spielerische Möglichkeit der Förderung

… ist mein Silbendomino, das Du hier kostenlos herunterladen kannst. Es ist im Grunde selbsterklärend und reicht mit 10 Karten für den Anfang völlig aus. Es lädt mit schönen Tierbildern aus der Umgebung ein zum Sprechen, Silbenklatschen und -zuordnen. Die größere Variante mit 40 Spielkarten bekommst Du ohne Montagskind-Aufschrift für einen kleinen Beitrag bei Eduki.

weitere spielerische Förderung

— sind Reimspiele, denn sie fördern die Fähigkeit, lautliche Muster in Wörtern zu erkennen. Kinder können zum Beispiel aufgefordert werden, ein Wort zu finden, das sich auf „Haus“, „Katze“ oder „Sonne“ reimt.

… sind Lauträtsel. Hierbei muss man herausfinden, ob ein bestimmter Laut am Anfang, in der Mitte oder am Ende eines Wortes vorkommt. Beispiel: Lausche das F in Fahne, in Affe, in Lauf.

…. generell das Hören fördern Spiele wie „das geheimnisvolle Geräusch“ (Geräuscheraten) oder ein Hörmemory Marke Eigenbau: Einfach kleine Dosen, zB. aus dem Ü-Ei, immer paarweise befüllen: Mit Reis, mit Zucker, mit Bohnen, mit Schräubchen…

Ist denn nur die Hörfähigkeit der Schlüssel für den Schriftsprachenerwerb?

Sie spielt eine wichtige Rolle, aber nicht ausschließlich. Kinder brauchen ebenso das Verständnis des Wortschatzes, das Sprachbewusstsein und das allgemeine Interesse an Büchern und Geschichten. Hier möchte ich Euch gern noch einmal mein Werk „Sprechen und Zuhören im Erzählkreis“ ans Herz legen.

Was bedeutet denn ein Mangel an phonologischer Bewusstheit?

Er kann leider ein ernsthaftes Hindernis in der gesamten Schullaufbahn darstellen. Kinder, die diese Fähigkeit nicht ausreichend entwickeln, haben oft Schwierigkeiten, der schulischen Schriftsprachvermittlung zu folgen. Sie vermeiden oder verweigern das Lesen und Schreiben, so dass auch die Fortschritte sehr mühsam sind. Je höher die Jahrgangsstufe, desto mehr Umgang mit Texten in fast allen Fächern. Es ist daher wichtig, diese Fähigkeit schon frühzeitig zu fördern, um Kindern den Start in ihre Lese- und Schreibkarriere zu erleichtern.

Was ich aktuell in der Mittelstufe mache

Meine Klasse besteht nicht nur aus Kindern, die bei mir eingeschult wurden, sondern ist inzwischen eine bunte Mischung, zu der auch Quereinsteigende aus verschiedenen Schulen zählen. Unabhängig davon sind natürlich auch die Lernvoraussetzungen Einzelner ganz unterschiedlich. Ein aktueller Lernstand ist daher sehr wichtig für die gemeinsame Arbeit.

Der Lernserver

Ich habe in diesem Schuljahr ein Rechtschreibscreening mit dem Münsteraner Lernserver (unbeauftragte Werbung/ persönliche Empfehlung) durchgeführt. Fast alle Kinder meiner Klasse haben zu Beginn des Schuljahres an der Münsteraner Rechtschreibanalyse (MRA) teilgenommen. So habe ich gerade nicht nur ganz aktuelle, sondern auch sehr detaillierte Rechtschreibprofile von jedem einzelnen Kind. Das Gute am Lernserver ist:
– Die Methode ist wissenschaftlich fundiert und wird inzwischen seit über 20 Jahren weiterentwickelt und verfeinert. Die Ergebnisse sind also sehr aussagekräftig.
– Es wird unterschieden zwischen den Basisfähigkeiten und dem Regelbewusstsein, beides zusätzlich aufgeschlüsselt in unterschiedlichste Bereiche und Fehlertypen
– Die Screenings mit Förderprofil (Ampelsystem) und allgemeiner Förderempfehlung sind kostenlos.
– Die gründliche Analyse, die ich bei Schüler:innen mit größerem Förderbedarf durchführe, kostet sehr überschaubares Geld, das an meiner Schule durch das Förderbudget der Eltern abgedeckt ist.
– Gleiches gilt für die Fördermappe, die individuell aus einem riesigen Pool von Materialien zusammengestellt wird und völlig passgenau auf das jeweilige Lernprofil zugeschnitten ist.

So bleibt am Ende meine wichtigste Aufgabe, die kontinuierliche Förderung in unseren täglichen Abläufen zu integrieren.

Genug geschwärmt. Hier mein Fazit zum Gesamtthema:

  • Je früher die Basisfähigkeiten angelegt und gefestigt werden, desto besser
  • Es kann auch später noch Einiges nachgeholt werden. Man muss es dann aber umso energischer anpacken und stößt mitunter auf Kinder oder Jugendliche, bei denen schon eine Vermeidungs- oder Verweigerungshaltung eingeschliffen ist.
  • Wenn man ein Screening mit der gesamten Lerngruppe durchführt, kann man als Lehrende:r übrigens auch die eigenen blinden Flecke beim Unterrichten identifizieren 😉 Aber nicht nur deshalb kann ich es wärmstens empfehlen.

Der Mosaikfisch als Lernmaterial: Farbspektrum und Auge-Hand-Koordination

Sehr sehr gern setze ich Montessori-Material ein. Mit dieser kleinen Reihe stelle ich Euch einige der Materialien vor, die ich auch in der Schule verwende. Den Anfang macht der wunderbare Mosaikfisch.

Die Schuppen des Fisches sind kleine farbige Rauten, die ein kleines Puzzle bilden. Wozu ist das gut?

Schritt 1: Erst einmal den Fisch bunt gestalten

Hier werden spielerisch die Auge-Hand-Koordination, die Feinmotorik sowie Konzentration geübt. Es geht erst einmal darum, den Fisch überhaupt zu gestalten und die Teile zu legen. Bereits Kinder ab etwa 3 Jahren lieben es, dem Fischi ein eigenes Aussehen zu geben!

Schritt 2: Genauer hinsehen

Es gibt mehr farbige Schuppen, als in den Fisch passen – und das aus gutem Grund: Die einzelnen Farben sind in ihrer Intensität verschieden. Das Farbspektrum umfasst verschiedene Blau- und Rottöne. Dazu schwarz (in Abgrenzung zu dunkelblau) und grün (in Abgrenzung zu mittelblau). Man muss also genau hinsehen und Kinder nehmen so die verschiedenen Farbabstufungen wahr, lernen sie zu benennen.

Schritt 3: Optische Differenzierung

Wer schreiben und lesen lernen möchte, schult nicht nur die Auge-Hand-Koordination, sondern auch auch die optische Differenzierung. Hierzu gibt es Kärtchen mit vorgegebenem „Schuppenmuster“. Nun gilt es, die farbigen Puzzleteile so anzuordnen, dass der Fisch am Ende genau so aussieht wie auf dem gewünschten Kärtchen. Das Kärtchen ist also das Passfoto oder Spiegelbild. Was nach einer kleinen Sache aussieht, ist in Wirklichkeit eine große Transferleistung und der Weg zum nächsten Meilenstein.

Bei meinem Kooperationspartner Montessori Lernwelten könnt Ihr den Fisch bestellen und gleichzeitig mit Eurem Einkauf den Betrieb meines Blogs unterstützen.

Spielerisch mit Mengen arbeiten

Heute stelle ich Euch mal wieder etwas aus dem Bereich Lernen und Fördern vor. Ich habe ein Material erstellt, mit dem man sich spielerisch und sehr variabel Mengen erarbeiten kann. Warum dies so wichtig ist, erfahrt Ihr natürlich auch. Da es gerade Dezember ist, habe ich die Weihnachtsvariante als Freebee für Euch.

Mengenerfassung als Vorläuferfähigkeit

Die Mengenerfassung ist ein wichtiger Grundstein für die spätere Rechenfähigkeit. Es schadet daher nicht, schon im Vorschulalter ein Augenmerk darauf zu legen und dem Kind Anlässe zu bieten, sich den Mengen anzunähern.

Simultane Mengenerfassung im Alltag mit allen Sinnen

Die simultane Mengenerfassung meint, kleinere Mengen „auf einen Blick“ erfassen zu können. Das sollte für ungeordnete Mengen bis 4 möglich sein, bei den geordneten Würfelbildern sollten die Mengen bis zur 6 sofort erkannt werden. Doch es zählen nicht nur die Augen, sondern auch die Hände und Ohren:

Lasse Dein Kind den Tisch decken bzw. bitte es beispielsweise vier kleine Löffel zu decken. Nun kannst du beobachten: Greift das Kind in die Besteckschublade, holt die Löffel einzeln heraus und zählt sie ab oder greift es in die Schublade und holt mit einem mal die vier Löffel heraus?

Spielt ein Klopfspiel. Klopfe zweimal, dreimal, viermal schnell unter den Tisch. Dein Kind sollte zuhören und sofort die Menge benennen können, ohne abzuzählen.

Mengenkärtchen als Freebie

Ich habe kleine Kärtchen mit Weihnachtsbäumen vorbereitet, mit denen man einige verschiedene Spiele spielen kann. Für die kleineren Kinder kann man Mengen mit 5 oder 6 auch zunächst aussortieren. Drei mögliche Spiele möchte ich Euch nun hier vorstellen:

Ein kleines Schneckenrennen: Würfelbilder und ungeordnete Mengen

Man legt die Kärtchen in Schneckenhausform auf den Tisch. Mit zwei Figuren (oder weihnachtlich: Nüssen) geht es dann ins Rennen. Es wird gewürfelt und die Nuss darf vorrücken zu einem Weihnachtsbaum, der die gleiche Anzahl Kugeln hat wie der Würfel Augen zeigt.

Variante ohne Spielfiguren: Die Karten liegen auf dem Tisch. Es wird gewürfelt und wer zuerst ein passendes Bäumchen findet, darf es behalten.

Weihnachtsgeschenke: Mengen anschaulich zuordnen

Die Kärtchen werden gestapelt, eine Schale Nüsse (Steinchen, Bohnen o.a.) daneben gestellt. Abwechselnd werden Kärtchen gezogen und mit geschlossenen Augen die Mengen herausgesucht: „Unter dem Baum liegen so viele Schätze wie Kugeln an ihm hängen.“

Variante: Da die Kugeln an den Weihnachtsbäumen meist zwei verschiedene Farben haben, kann man auch „sehend“ zwei verschiedene Sorten Nüsse oder Steine passend als Schätze dazulegen.

Hier kann man auch Aufgaben finden, die die Mengen zeigen: 4 = 2+2 oder 5 = 3+2 ….

Glücksspiel mit Mengenvergleich

Auch beim Mengenvergleich zeigt sich die Fähigkeit der simultanen Mengenerfassung. Ich persönlich mag die Komponente „Glück“ auch sehr bei diesen Spielen, weil sie den bekannten mathematischen Druck etwas herausnehmen.

Hier legt man zwei Stapel Kärtchen nebeneinander – und zwar so verdeckt, dass man nicht erkennen kann, was sich jeweils darunter verbirgt. Nun setzt man wie beim Roulettespiel seine Nuss auf einen Stapel – und hofft, dass die dort verdeckte Karte eine größere Menge Kugeln anzeigt als das Kärtchen daneben.

Download und Losbasteln

Hier kommt Ihr direkt zu den Kärtchen: Einfach downloaden, ausdrucken, ausschneiden und auf Pappe kleben oder laminieren. Bei Eduki biete ich auch noch eine Ganzjahresvariante mit Marienkäfern an (statt zwei Farben gibt es hier Punkte auf den beiden Flügeln).