Stets auf der Suche nach schönen Märchen, habe ich das Märchen „Der Eisbär König Valemon“ aus Norwegen entdeckt. Es hat mir auf Anhieb sehr gut gefallen und gleich nach den Ferien habe ich es in einer Vertretungsstunde erzählt. Auch die Kinder fanden es sehr schön und so hatten wir eine schöne Märchenstunde.
Die Geschichte
Es geht um einen Eisbär, der von einer Hexe verzaubert wurde und um eine Königstochter, die sich nach einem bestimmten goldenen Kranz sehnt. Der Eisbär besitzt diesen Kranz, doch die Königin muss ihn heiraten, um den Kranz zu bekommen. Es vergehen drei Jahre und fast wäre der Zauber gelöst worden. Doch kurz vor Ablauf der Frist muss der Eisbär fort, weil die Königstochter nicht auf ihn und ihren Vater gehört hat. Der Bär muss nun die böse Hexe heiraten und die Königstochter will es mit ganzer Kraft verhindern. Ein märchenhaftes Abenteuer beginnt.
Fundort des Märchens
Beim Lesen auf der Seite maerchenatlas.de bin ich auf dieses schöne Märchen gestoßen und habe es mit auf den Podcastplan für „Märchen mit Klang“ genommen. Es ist ab heute verfügbar.
In meinem Podcast „Märchen mit Klang“ habe ich am vergangenen Montag das doch sehr unbekannte Märchen „Die weiße Taube“ erzählt. Dieses Märchen kann Kindern sehr gut an den Pfingsttagen erzählt werden, es steht aber in kaum einem Märchenbuch. Daher habe ich hier den Text zum Vorlesen und den Podcastlink für Euch.
Regnerische Pfingsttage
Im Regen spazieren gehen, Pfingstrosenkuchen backen und eine gemütliche Märchenzeit einlegen: So scheint es Pfingsten 2021 zu sein. Genießt die Zeit mit Euren Lieben!
Ein Märchen, zwei Welten – und ganz viel für die Seele
Märchen versprühen einen ganz besonderen Zauber, den wir alle kennen und in uns aufnehmen. Was ist eigentlich das Besondere an den Märchen? Warum sind sie so gut für die Seele? Oder sind sie es doch nicht, sondern eher brutal? Ich hoffe, ich kann hier einen kleinen Einblick geben. Übrigens sind Märchen nicht nur Balsam für Kinderseelen.
Es war einmal….
Mit diesem Satz beginnt die ganze Magie. Für Kinder bedeutet dies: Als die Welt noch nicht die Welt war, die ich kenne. Lange Zeit, bevor ich lebte. Das ist übrigens auch der Zauber, den Großeltern weitertragen mit Geschichten von früher, aus ihrer Kindheit, die ja in Kinderaugen sooo lange her ist. Doch Märchen schaffen darüber hinaus weitere seelische Verbindungen zum Kind.
Reich an Bildern und doch sparsam mit Details
Die erzählte Welt der Märchen ist so ganz anders, es leben Wesen in ihr, die wir nicht kennen. An Orten, Schlössern, Zauberwäldern oder im Verborgenen, geheimnisvoll fremd. Und doch wissen wir nicht, wie genau die Akteure oder die Umgebungen genau aussehen. Ist der Dummling blond oder dunkelhaarig, klein und dünn oder größer und stämmig? Das steht nirgends geschrieben.
Diese Mischung aus „ganz anderer Welt“ und Sparsamkeit der Details lässt so viel Raum für Fantasie – und die Verbindung zur eigenen Person.
Eine Brücke zwischen zwei Welten
Jedes Märchen hat Gut und Böse, seine Aufgaben, die bewältigt werden müssen und natürlich seine Helden. Kinder verbinden sich mit dem Guten, den Helden, und wenn diese in der Beschreibung weniger ausgearbeitet sind, füllen sie dies mit ihren eigenen Stärken.
Andersherum fühlen sie auch die Ängste, Einsamkeit und Not der Protagonisten, die ja meist große Aufgaben bewältigen müssen, manchmal auf Leben und Tod. Hier wird vermittelt: Sei die Aufgabe auch noch so groß, sie kann geschafft werden. Am Ende wird alles gut.
Dieser indirekte, entfernte Zugang wirkt stärkend im Seelischen.
Sind Märchen brutal?
Häufig wird geäußert, Märchen seien für Kinder doch zu brutal. Dazu sei gesagt, dass es kein Märchen gibt, das gewaltsame Handlungen näher beschreibt. Wenn Rumpelstilzchen sich entzwei reißt, fließt im Märchen kein Blut und Rumpelstilzchen selbst ist auch kein vertrautes Wesen, das unser Mitleid tief erregt. Ebenso ist der Wolf kein Sympathieträger, der die Großmutter oder die Geißlein gefressen hat und dem danach der Bauch aufgeschnitten wird. Den Bauch kann man übrigens aufschneiden, Steine hineinlegen und dann wieder wieder zunähen. Dann erwacht das Tier aus seinem Schlaf…
Wir Erwachsenen haben grausame Szenen vielleicht schon mit allen Details in Büchern gelesen oder in Filmen geschaut und sehen dadurch die Gewalt weitaus blutiger und brutaler vor unserem inneren Auge. Kinder haben jedoch keine weitere Vorstellung davon. Das sollte man bedenken.
Sollte ich ein Märchen vorlesen, umformulieren oder frei erzählen?
Die Sprache und das Sprechen von Märchen ist eine Kunst, der Wortschatz und die Formulierungen aus vergangenen Zeiten strahlen schon aus, dass diese Welt weit weg ist. Wenn wir uns zudem an den genauen Wortlaut halten – der meist auch schöne Rhythmen und Sprachmelodien mitbringt – schafft dies eine große Vertrautheit beim Kind.
Märchen sollte man immer wieder vorlesen, die Wiederholung schafft nicht nur ein liebevolles Ritual, sondern eben auch das beruhigende Eintauchen in ein vertrautes Bild. Genau dies ist nicht gegeben, wenn man frei heraus vorträgt. Auch das Umformulieren bringt möglicherweise Details hinzu, die im Seelischen wieder anders wirken als die ursprüngliche Geschichte. Daher halte ich mich beim Märchenerzählen immer an den Originaltext. In Klasse 1 wird dieser auch oftmals auswendig gelernt, um die Kinder beim Erzählen anschauen zu können.
Doch vorsicht: Das Erzählen sollte ruhig vor sich gehen und auch nicht von großer Mimik und Gestik begleitet werden. Wer all zu sehr betont, „färbt“ die Geschichte wieder mit eigenen Bildern, die bei uns Erwachsenen ja – wie gesagt – deutlich weiter ausgereift sind und bei Kindern dann eine unbehagliche Stimmung erzeugen können. Insbesondere wenn eine Bezugsperson Gefühle von Grusel und Angst transportiert.
Märchen mit Klang
In meinem Podcast erzähle ich die Märchen im Originaltext und wenig betont. Zwischendurch lasse ich Klänge natürlicher Instrumente einfließen. Dies hilft beim konzentrierten Zuhören.
Ich wünsche eine schöne, erholsame Märchenzeit für die Seele.
Montag ist Märchenmontag!
Literaturtipp: „Die Märchenleiter“ von Arnica Esterl, Verlag Freies Geistesleben.