Die Schulentscheidung

Eltern können für ihr Kind die nächstgelegene Schule, eine Ersatzschule und – je nach Bundesland – auch eine weiter entfernt gelegene staatliche Schule wählen. Es gibt viel Ratgeberliteratur zur Vorbereitung auf die Einschulung und auch als Hilfe für die Schulentscheidung . Oft geht es dabei um die Frage: Wie kann ich mein Kind bestmöglich auf die Einschulung vorbereiten, damit es „ins System passt“. Man kann aber auch fragen: Welche Schule passt am besten für mein Kind? Im Rahmen der Themenwoche Aufnahme an der Waldorfschule teile ich meine Gedanken mit Euch und erkläre auch die Rahmenbedingungen an der Waldorfschule.

Die vier Bedingungen

Am Tag der Einschulung fließt alles zusammen: Da steht ein Schulkind mit seiner Schultüte und begleitet von seiner Familie vor dem Schultor und erwartet seinen neuen Lebensabschnitt. Dafür bringt es mit: Seine ganz eigene Persönlichkeit, die Bedingungen seiner Familie, Erfahrungen aus dem Kindergarten und ganz viele Erwartungen an die Schule. Damit der nun folgende Weg einen gelungenen Einstieg bekommt, sollte Vieles im Vorfeld bedacht werden:

Die Persönlichkeit des Kindes

Ihr seid die Experten für Euer Kind: Wie ist das Schlaf- und Ruhebedürfnis im Verhältnis zum möglichen Tagesplan – vom Schulweg bis zur anschließenden Betreuung? Welche Freizeitaktivitäten oder Förderungen stehen sonst noch fest auf dem Wochenplan? Wann ist Zeit für freies Spiel und Freundschaften? Kurz gesagt: Was braucht mein Kind, um die Herausforderungen als Schulkind gut zu meistern.

Die Bedürfnisse der Familie

Ist Elternmitarbeit, das Mitgestalten von Schule, erwünscht und für uns machbar? Wie wird die Hausaufgabensituation zu Hause? Welche zusätzliche Betreuung benötigen wir noch? Die Familienorganisation, die Geschwisterkinder…. wie sind unsere häuslichen Abläufe und Routinen? Wie gut sind wir im Notfall erreichbar?

Der KiTa Hintergrund

Welche Erfahrungsfelder und Abläufe sind gewohnt? Welche Spiel- und Freundschaftskontakte sind entstanden? Sind Schule und KiTa vernetzt? Wurde mit offenem oder geschlossenem Konzept gearbeitet (also eher individuell oder gemeinschaftlich gearbeitet)?

Die Bedingungen der Schule

Wie weit, anstrengend oder auch gefahrenvoll ist der Schulweg und kann/ soll er allein bewältigt werden? Wie groß wird die Lerngruppe sein? Wird eher leistungsgleich oder eher altersgleich unterrichtet? Wie wirkt die Schule auf uns? Können wir uns als Eltern einbringen? Welchen Eindruck machen die Lehrenden, die mir begegnen? Hier spielen Kopf und Herz eine Rolle. Sind wir bereits mit der Schule und ihrem Konzept vertraut oder haben wir andere Anknüpfungspunkte?

All diese Dinge fließen sorgsam in die Schulentscheidung ein.

Die Rahmenbedingungen an der Waldorfschule

Jede Waldorfschule hat ihre eigene Gründungsgeschichte, gewachsene Strukturen und andere Bedingungen. „Kennste eine, kennste alle“ gilt hier nicht wirklich. Ich gehe daher an dieser Stelle auf allgemeine Bedingungen ein, die man grundsätzlich an jeder Waldorfschule vorfindet.

  • Epochenprinzip: Es wird ein Fach über einen bestimmten Zeitraum, meist 3-4 Wochen, täglich in einer Doppelstunde unterrichtet. Vorteil: So taucht man tief in die Lerninhalte ein und kann sich gründlich mit ihnen auseinandersetzen. Aber: Bei längeren Fehlzeiten wird auch viel Stoff versäumt. Allerdings: Bis zur nächsten Epoche dieses Fachs hat man wieder Zeit, um in Ruhe aufzuholen.
  • 2 Fremdsprachen ab Klasse 1: Spielerisch erleben die Kinder gleich zwei Fremdsprachen ab der Einschulung und entwickeln ein Sprachgefühl aus der Nachahmung heraus. Vorteile: Ich kann sie alle gar nicht aufzählen, sie sind nicht nur aus Sicht der Hirnforschung vielfach belegt. Aber auch: Kinder mit größeren Konzentrationsschwächen oder bestimmten Sprachschwierigkeiten werden manchmal besonders herausgefordert.
  • Ein:e Klassenlehrer:in als feste Bezugsperson für 8 Jahre: An einigen Schulen sind es auch nur 6 Jahre. Der große Vorteil: Lernen in Beziehung und Vertrautheit ist kaum besser möglich. Allerdings: 8 Jahre sind eine lange Zeit und es gibt einfach keine Garantie, dass es nicht auch im Leben des Lehrers oder der Lehrerin zu Veränderungen kommt und es am Ende doch noch Wechsel gibt.
  • Meist größere Klassen: Die Klassengrößen an Waldorfschulen sind aus verschiedenen Gründen meistens sehr groß. Dadurch ergibt sich eine große Gemeinschaft, die gemeinsam aufwächst. Vorteile: Viele Lern- und Spielpartner. Man kann sich auch mal aus dem Weg gehen. Zu Beachten: Für besonders ablenkbare Kinder kann dies herausfordernd sein. Da muss man schauen, wie die räumlichen Gegebenheiten sind. Es gibt aber einige Lösungen für diesen Fall.
  • Lernen in Bewegung: Neben den Fächern Spielturnen und Eurythmie ist das Lernen in Bewegung fester Bestandteil im Unterricht von uns Klassenlehrer:innen, aber auch von Fachlehrer:innen. Mein Fach Musik ist ohne Bewegung in der Unterstufe gar nicht vorstellbar 🙂 Unterstützend gibt es an vielen Schulen in den Schuleingangsklassen das bewegte Klassenzimmer, welches das Lernen in Bewegung begleitet, denn Bewegung hilft ungemein beim Lernen und tut Kindern einfach nur gut.
  • Mitmachschule: „Unsere Schule gibt es nur, weil wir sie wollen.“ Ein viel gehörter Satz, aber so ist es. Jede Waldorfschule funktioniert nur durch die aktive Gestaltung von Lehrer:innen und Eltern. Daher kann man sich an vielen Stellen einbringen und im Sinne der Kinder die Schule gemeinsam weiterentwickeln und voranbringen. Das muss man wollen und es braucht Zeit und Engagement.
  • Viel künstlerische Betätigung: Wie bereits an vielen Stellen beschrieben, ist die Kunst als Bestandteil des Lernens und der Persönlichkeitsentwicklung ein wichtiger Bereich, dem auch viel Zeit gewidmet wird.
  • Eigener Lehrplan: Der Waldorflehrplan deckt alle Inhalte ab, die auch an staatlichen Schulen unterrichtet werden, aber im Sinne der Waldorfpädagogik wird der Lernstoff so verteilt, dass er vom Zeitpunkt her die kindliche Entwicklung unterstützt. Daher gibt es beispielsweise die beiden Fremdsprachen ab Klasse 1 oder Bruchrechnen ab Klasse 4. Andererseits braucht es meist das ganze erste Schuljahr, um nach und nach mit Geschichten und Bildern die Buchstaben einzuführen und das Lesen und Schreiben zu erlernen.
  • Lernen in altersgleichen Gruppen: Wir arbeiten mit Kindern, die altersgleich sind, also in etwa die gleichen Entwicklungsaufgaben zu bewältigen haben. Unterschiedlichen Lernleistungen begegnen wir mit Binnendifferenzierung. Sitzenbleiben und Überspringen sind klar die Ausnahme.
  • Entwicklungsberichte statt Ziffernzeugnisse: Die Ziffernnoten sind lange Jahre kein Thema an der Waldorfschule. Die Kinder erhalten eine altersgerechte, persönliche Rückmeldung von ihren Lehrer:innen und die Eltern am Schuljahresende einen Entwicklungsbericht. Das ist eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe, denn es erfordert eine gute Kommunikation auf vielen Ebenen.

Ich hoffe, ich konnte Euch einige Impulse geben auf Eurem Weg zur passenden Schulentscheidung für Euer Kind!