Die kindliche Spiritualität

Wenn Kinder Raum bekommen und ganz ohne Ablenkung die Welt entdecken können. Wenn Sinneserfahrungen und Fantasie ganz in Ruhe auf die Liebe zur Natur und auf die Schönheit ihres Umfeldes treffen. Und wenn wir Erwachsenen uns in den Momenten des freien kindliches Spiels zurücknehmen und einfach nur innerlich anteilnehmend anwesend sind. Dann können wir sie erleben, wachsen sehen und fördern: Die kindliche Spiritualität.

In diesem Blogbeitrag geht es auch um den ersten freien Religionsunterricht an der Waldorfschule.

Was ist eigentlich die kindliche Spiritualität?

Es ist diese Verbundenheit mit der Welt, die Kinder einfach mitbringen. Besonders in den ersten Lebensjahren fühlen sich die Kleinen ganz eins mit der Welt. Es gibt für sie nur eine Mit-Welt, keine Um-Welt, die sie von Natur, Menschen und dem Umfeld trennt. Manchmal sehen Kinder auch mehr als wir: Wesen in Pflanzen oder für uns nicht sichtbare Freunde.

Anders als Erwachsene vermögen Kinder ihre Umgebung zu beseelen.

Anton A. Bucher

Kindliche Spiritualität ist gesund!

Wenn Kinder diese naturgegebene, spirituelle Seite ausleben dürfen, ohne dass wir Erwachsenen eingreifen, werten oder gar wissenschaftliche Erklärungen liefern, um Wahrnehmungen zu korrigieren, hat dies auch positive Effekte auf die Resilienz und Gesundheit von Kindern.

„Aber ich bin doch selbst gar nicht gläubig….“

Spiritualität wird manchmal schnell mit religiösen Praktiken verwechselt, die man für sich selbst nicht annehmen kann. Doch es ist viel mehr als das, wie auch der Autor und Sozialwissenschaftler Jan-Uwe Rogge auf den Punkt bringt:

Kinder zu achten, ihnen zuzuhören, sie ausreden zu lassen, ihre Gefühle ernst zu nehmen und sie nicht klein zu reden: Dies sind wichtige Regeln im Umgang von Eltern mit ihrem Kind – und in höchstem Maße spirituell. 

Jan-Uwe Rogge (Quelle: spielundzukunft.de)

Wie kann ich als Eltern die angeborene Spiritualität sonst noch schützen und bewahren?

Die vier wichtigsten Wege sind

  • Kindern wertfrei zuhören, mit aufrichtige Interesse und ohne wissenschaftliche Korrekturen
  • Möglichkeiten für freies, künstlerisches Schaffen geben: Malen, Spielsand, Knete, Stöcke, Steine usw.
  • Märchen erzählen oder vorlesen, hier wird die kindliche Fantasie in einer ganz besonderen, im Grunde uralten Stimmung („Wunderwelt“) beflügelt, was sehr viel gute Seelennahrung bietet.
  • Nicht jede Frage beantworten oder die Antwort googlen, sondern die Kinder auch einmal ganz in ihrer kindlichen Sichtweise Gedanken bewegen lassen.

Was bietet der erste Religionsunterricht an der Waldorfschule?

Ehrfurcht und Respekt vor dem Leben in all seinen Erscheinungsformen sind die Voraussetzung für das Erwachen eines Verantwortungsgefühls gegenüber der Natur, den Mitmenschen und sich selbst. Diese Empfindungen können geweckt werden durch ein lebensvolles, von Dankbarkeit getragenes Verhältnis zur Schöpfung

Quelle: Forschung-waldorf.de

Im zweiten Schuljahr beginnt bei uns der erste Religionsunterricht konfessionslos im Klassenverband. Hier darf genau das geschehen: Es wird zunächst eine ruhige, vertraute Atmosphäre, begleitet von kleinen, liebevollen Ritualen, geschaffen. Den Kindern wird Raum für ihre Gedanken gegeben, sie hören anregende Geschichten, dürfen dazu ihre Gedanken mitteilen und auch ganz für sich künstlerisch tätig sein, dem Seelischen Ausdruck verleihen.

Auch gute Taten finden ihren Platz. So habe ich die Zweitklässler:innen beispielsweise kleine Daumenschalen aus Ton als Insekten-Trinknäpfchen formen lassen, nachdem sie u.a. die Geschichte von Franziskus und den Bären gehört haben.

Der freie Religionsunterricht bietet gerade in den ersten Jahren einen schützen Raum für die kindliche Spiritualität.

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